Die Festung der Titanen
ich und rieb mein Kinn.
»Ich sagte es bereits«, teilte sie mir erhaben mit. »Nicht nebenbei und auf einem Pferderücken. Es gehört sich nicht.«
Ich hätte in den Erinnerungen der Seras, die der Verschlinger in sich aufgenommen hatte, nach Einsicht suchen können, doch irgendwie traute ich mich nicht, zumal ich jetzt schon fühlte, dass sie nur in einem einig miteinander waren: Nicht auf einem Pferderücken und nicht nebenbei.
Als wir die anderen erreichten, sah ich sie alle grinsen, selbst oder ganz besonders auch die alte Enke. Sogar Zokora schien erheitert. Nur Mahea hielt sich zurück und sah eher beschämt zur Seite. Seit dem Streit mit ihrem Bruder war sie in sich gekehrt und schweigsam geworden, jeder konnte sehen, wie schwer es sie belastete.
»Ein guter Schlag«, lobte Zokora und unterbrach damit meine Gedanken. »Man kann noch immer jeden Finger einzeln sehen!«
»Götter«, seufzte ich. »Habt ihr uns belauscht?«
»Konrad«, sagte die alte Enke lachend. »Ich schickte ihn zurück, um zu sehen, ob Havald zurückgekommen ist. Und Havald …«
»Ja?«
»Es gibt keinen rechten Zeitpunkt. Du hast Glück gehabt mit ihr, ich hätte dich erschlagen. Oder in einen Lurch verwandelt.«
»Das ist nicht möglich«, widersprach ich, um sie misstrauisch anzuschauen, als ihr Lächeln breiter wurde. »Oder doch?«
Mit Magie , hörte ich Aleyte sagen, ist vieles möglich. Nicht immer einfach oder schnell … aber möglich.
Ich unterdrückte einen Seufzer. Nicht wegen der Drohung mit dem Lurch, obwohl ich Lurche gar nicht mochte. Ich konnte nur hoffen, dass diese Selbstgespräche bald ein Ende fanden. Schließlich waren nur noch ihre Erinnerungen vorhanden und sie selbst schon zu den Göttern gegangen.
Nur aus Interesse , meldete sich Schwertkorporal Hanik zu Wort. Wie sicher seid Ihr Euch dessen?
Wegtreten! , befahl ich ihm.
Ser, aye, Ser! , sagte er und lachte.
30
Von Wölfen und Schäfern
»Schau nicht so mürrisch«, grinste Varosch. »Wir foppen euch nur ein wenig.«
Ich nickte seufzend, das war mir durchaus bewusst. Doch wenn er schon mal neben mir ritt …
»Varosch«, fragte ich ihn leise. »Du wolltest Priester werden.«
»Dessen war ich mir nicht sicher«, sagte er. »Deshalb ging ich ja auf Wanderjahre. Wieso fragst du?«
»Als Priester versucht man zu helfen, richtig?«
Er musterte mich misstrauisch. »Schon … Worum geht es dir?«
»Wie geht man damit um, dass man nicht allen helfen kann?«, fragte ich ihn. »Es gab noch viele andere dort in Coldenstatt, die auch Heilung hätten gebrauchen können, nicht nur Hrelde, nur fehlte mir die Zeit.«
»Man kann es nicht«, sagte Varosch ernst. »Wahrscheinlich ist es auch den Göttern nicht möglich, allen zu helfen. Zudem … wenn du jeden heilst, wirst du bald zu nichts anderem mehr kommen, weil sonst bald ein jeder kommt, der sich auch nur das Knie anstößt.« Er sah mich eindringlich an. »Der Gang der Welt ist, dass man sich verletzt, heilt … oder daran stirbt. Dass es einige wenige gibt, denen die Götter das Geschenk der Heilung gaben, ändert nichts daran. Es bürdet denen, die so gesegnet sind, eine große Verantwortung auf. Wer soll geheilt werden, wen lässt man sterben? Viele zerbrechen an dieser Last. Deshalb folge ich dem Willen Borons, es erleichtert mir dir Bürde. Du hast es nicht so leicht.«
»Wieso das?«, fragte ich ihn.
Er lächelte fast schon schmerzhaft. »Folge ich Seinem Weg und er führt zu Schmerz und Leid, ist es Borons Wille, nicht der meine. Du hingegen …«, er zögerte ein wenig, »du magst Soltars Engel sein, doch du setzt deinen Willen oft genug über den der Götter. Was dann daraus folgt, lastet allein auf deinen Schultern. Ich bete, dass du die Last auch tragen kannst.«
Einen langen Moment lang ritten wir schweigend nebeneinanderher. Heute
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