Die Festung der Titanen
Talente und Fähigkeiten, ich hatte sie nicht vergessen. Was sie mich lehren konnten, hatten sie mir schon beigebracht, auch wenn ich es vorher nie hatte wahrhaben wollen.
Vielleicht war es nur meine Einbildung, mein Wahn, aber oft kam es mir vor, als würden sie lächeln, hätten mir verziehen, dass ich sie aus ihrem Leben gerissen hatte. Vielleicht wollte ich es einfach auch nur glauben. Also tat ich es und hoffte, dass es so war. Das, dachte ich, als ich tief einatmete und meine Augen öffnete und meine Gefährten vor mir stehen sah, war nicht so schwer gewesen.
Was jetzt kam, war umso vieles schwerer. Dabei war das Lager der Priester noch das kleinste Problem, es wurde mir gelöst, noch während ich hier gestanden und mit den Göttern gehadert hatte. »Ich habe mich immer gefragt, warum die Göttin mich hat leben lassen«, sagte Ordun in meinen Gedanken, und ich hörte ihn dabei noch lachen. »Jetzt habe ich es verstanden … es ist, damit nichts von dem, was ich gestohlen habe, verloren geht. Dein Problem ist, dass es in Wahrheit doch ein Nagel ist und tatsächlich einen Hammer braucht.« Und damit und mit einer ironischen Verbeugung trat sein Schatten zurück ins Dunkle. »Was mich angeht …«, hörte ich ihn noch flüstern, »kann ich nicht bereuen …«
»Hat jemand ein Honigküchlein?«, hörte ich mich fragen, und als sie mich alle erstaunt anschauten, konnte ich nur verlegen mit den Schultern zucken, während in der Ferne ein Lachen zu hören war. »Ein Gedanke … nichts weiter …«
»Havald?«, fragte Serafine besorgt. »Ist alles gut mit dir?«
Ich nickte langsam.
»Wahrhaftig?«, fragte sie ängstlich.
Ich zog sie an mich heran. »Wahrhaftig«, sagte ich und gab ihr einen Kuss, den sie mit verzweifelter Leidenschaft erwiderte.
O Götter, dachte ich verzweifelt, warum muss ich auch sie aufgeben? Reicht es denn nicht, dass ich Leandra gehen lassen musste? Ich zog Serafine fester an mich und vergrub mein Gesicht in ihren Haaren, musste ich jetzt wahrhaftig auch noch sie verlieren? Doch es führte kein Weg daran vorbei, dies war das Schicksal, das die Götter mir zugedacht hatten, wollte ich nicht, dass sie mein Schicksal teilten, musste ich mich von ihnen lösen. Von Serafine und ihrer Liebe, von Zokora und Varosch, die mir mit ihrer Weisheit so oft den Weg gewiesen hatten, selbst von der alten Enke, deren Augen zu viel sahen.
»Ich weiß, dass man nicht stören sollte«, hörte ich Zokora sagen und öffnete die Augen, um sie vor mir stehen zu sehen, Hände in die Hüfte gestützt, beinahe, als ob sie sogleich ungeduldig mit dem Fuß wippen würde, nur dass sie so etwas ja nie tun würde. Götter, wie würde sie sie vermissen. »Aber weißt du nun, wie wir gegen diese Priester vorgehen können?«
Ich riss mich zusammen. Mein Schicksal, dachte ich. Nicht das ihre. Ich holte tief Luft und nickte.
»Und?«, fragte sie. »Willst du es uns nicht erklären?«
»Ihr kennt alle die Geschichte mit dem Hammer«, begann ich, doch Zokora schüttelte den Kopf.
»Sie ist einfach«, sagte die alte Enke. »Wenn man einen guten Hammer hat, denkt man, dass man jedes Problem mit diesem Hammer lösen kann. Nur ist dann nicht alles ein Nagel.«
Zokora hob die Augenbraue hoch. »Natürlich nicht.«
»Eben«, meinte Varosch.
Sie sah fragend zu ihm hin. Der lachte. »Ich erkläre es dir in Ruhe«, meinte er. »Später.«
»Aber ich will es jetzt wissen«, ging Serafine dazwischen und wandte sich an mich. »Was meinst du damit?«
Ich seufzte. »Es braucht einen Hammer. Wollen wir verhindern, dass dieses Grab geöffnet wird, führt kein Weg daran vorbei, dass auch Unschuldige sterben werden.« Ich schluckte. »Das ist der Preis. Das ist auch der Preis in diesem Krieg. Deswegen war ich so unwillig zu entscheiden, denn jede meiner Entscheidungen wird
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