Die Festung der Titanen
meinem Geist wie eine Klette, selbst jetzt höre ich ihn lachen! Soll ich ihn und all die anderen, die wahnsinnigen, die fanatischen Anhänger des dunklen Gottes, all die Mörder und Verbrecher, die ich in meinem Leben erschlagen habe, soll ich sie in meinen Geist lassen, ihr Leben leben, sagt mir, wie soll ich das ertragen? Und was ist mit jenen …« Ich schluckte. »Was ist mit jenen, deren Leben ich nahm, die schuldlos waren? Oder nicht schuldiger als ich, die nur unter der falschen Flagge kämpften? Den Ehemännern und Vätern, die ihre Frauen und Söhne nie wiedersehen werden? Was ist mit der Schuld, die ich auf mich lud und nur vergessen will?«
»Die Schuld ist die deine«, sagte Zokora fast schon flüsternd. »Ob du sie vergessen willst oder nicht. So ist es bei jedem von uns, wir alle tragen unsere Schuld. Doch dies geht am Punkt vorbei, Havald«, fügte sie sanft hinzu. »Ich gab dir bereits recht, niemand kann dies von dir verlangen. Niemand. Niemand … nur du selbst.«
Ich sah zu Serafine hin, die vor mir stand und mühsam lächelte, während ihr die Tränen die Wangen hinabrannen. »Was auch immer du entscheidest«, kam es so leise von ihr, dass ich sie kaum hören konnte. »Ich stehe hinter dir.«
Ich sah sie lange an, schaute dann zu Varosch hin, der verhalten nickte, und Zokora, deren Blick mir wie üblich sagte, dass ich meine eigenen Entscheidungen treffen sollte, und letztlich zur alten Enke, die grimmig dreinschaute. Von irgendwoher hatte sie wieder ihr verdammtes Strickzeug ausgepackt, aber im Moment schien es vergessen, fast wäre es mir lieber, sie würde eifrig mit den Nadeln klappern, so gäbe es wenigstens mehr zu hören als nur meine verzweifelten Gedanken.
Mein Blick kehrte zu Serafine zurück.
»Wirst du es tun?«, fragte sie flüsternd während sich ihre Hände so fest ineinanderkrallten, dass ihre Knöchel weiß hervortraten.
Mir kam es vor, als wäre es einer dieser Momente, in denen die gesamte Weltscheibe stillstand.
»Ja«, sagte ich rau. Diesmal glaubte ich fast, den Ruck zu spüren, als sich die Scheibe wieder drehte.
Es war leicht. Um so vieles leichter, als ich gedacht hatte. So sehr hatte ich mich gequält, dagegen gesträubt, dass es mich fast enttäuschte, dass nichts von dem, was ich befürchtet hatte, eintrat.
Der Kampf, vor dem ich mich so sehr gefürchtet hatte, war schon lange ausgefochten. Jedes Mal, wenn Seelenreißer eine Seele zu den Göttern schickte und mir die ungelebten Jahre meiner Opfer übertrug, hatte er mir mehr gegeben, als ich hatte einsehen wollen. Jedes Mal hatte ich dagegen angekämpft, es nicht sehen, es nicht wissen wollen, mich dagegen verwahrt, all das zurückgeschoben, beiseitegeräumt und vor mir selbst versteckt.
Jetzt musste ich nichts weiter tun, als mir einzugestehen, dass es schon immer so gewesen war, dass all diese Schatten, Erinnerungen und Talente nur geduldig darauf gewartet hatten, dass ich sie anerkannte, akzeptierte, dass ich der war, der ich nie sein wollte und schon immer war. Verflucht von den Göttern, ein Schicksal anzunehmen, das niemand tragen sollte.
In der eisigen Kammer unter dem Gasthof zum Hammerkopf war ich mit den Göttern einen Handel eingegangen. Sie hatten ihren Teil erfüllt … dies war jetzt der Preis, den ich zu zahlen hatte.
Eine seltsame Ruhe kam über mich, als ich mich den Schatten öffnete, die ich in mir trug.
Es war nicht so, als ob sie mich übernehmen würden, die Geister meiner Vergangenheit. Vielmehr war es, als ob sie geduldig warten würden, bis ich sie fragte, was sie mich lehren konnten. Vor allem aber war es nicht notwendig, lange zu lernen, ihren Geschichten zu lauschen, ihr Leben zu leben. All die Gesichter, die ich hatte vergessen wollen, ihre Geschichten, ihr Leben, ihre
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