Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Festung der Titanen

Die Festung der Titanen

Titel: Die Festung der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
Vom Netzwerk:
mei­nem Geist wie ei­ne Klet­te, selbst jetzt hö­re ich ihn la­chen! Soll ich ihn und all die an­de­ren, die wahn­sin­ni­gen, die fa­na­ti­schen An­hän­ger des dunklen Got­tes, all die Mör­der und Ver­bre­cher, die ich in mei­nem Le­ben er­schla­gen ha­be, soll ich sie in mei­nen Geist las­sen, ihr Le­ben le­ben, sagt mir, wie soll ich das er­tra­gen? Und was ist mit je­nen  …« Ich schluck­te. »Was ist mit je­nen, de­ren Le­ben ich nahm, die schuld­los wa­ren? Oder nicht schul­di­ger als ich, die nur un­ter der falschen Flag­ge kämpf­ten? Den Ehe­män­nern und Vä­tern, die ih­re Frau­en und Söh­ne nie wie­der­se­hen wer­den? Was ist mit der Schuld, die ich auf mich lud und nur ver­ges­sen will?«
    »Die Schuld ist die dei­ne«, sag­te Zo­ko­ra fast schon flüs­ternd. »Ob du sie ver­ges­sen willst oder nicht. So ist es bei je­dem von uns, wir al­le tra­gen un­se­re Schuld. Doch dies geht am Punkt vor­bei, Ha­vald«, füg­te sie sanft hin­zu. »Ich gab dir be­reits recht, nie­mand kann dies von dir ver­lan­gen. Nie­mand. Nie­mand  … nur du selbst.«
    Ich sah zu Se­ra­fi­ne hin, die vor mir stand und müh­sam lä­chel­te, wäh­rend ihr die Trä­nen die Wan­gen hin­a­b­ran­nen. »Was auch im­mer du ent­schei­dest«, kam es so lei­se von ihr, dass ich sie kaum hö­ren konn­te. »Ich ste­he hin­ter dir.«
    Ich sah sie lan­ge an, schau­te dann zu Va­rosch hin, der ver­hal­ten nick­te, und Zo­ko­ra, de­ren Blick mir wie üb­lich sag­te, dass ich mei­ne ei­ge­nen Ent­schei­dun­gen tref­fen soll­te, und letzt­lich zur al­ten En­ke, die grim­mig drein­schau­te. Von ir­gend­wo­her hat­te sie wie­der ihr ver­damm­tes Strick­zeug aus­ge­packt, aber im Mo­ment schi­en es ver­ges­sen, fast wä­re es mir lie­ber, sie wür­de eif­rig mit den Na­deln klap­pern, so gä­be es we­nigs­tens mehr zu hö­ren als nur mei­ne ver­zwei­fel­ten Ge­dan­ken.
    Mein Blick kehr­te zu Se­ra­fi­ne zu­rück.
    »Wirst du es tun?«, frag­te sie flüs­ternd wäh­rend sich ih­re Hän­de so fest in­ein­an­der­krall­ten, dass ih­re Knö­chel weiß her­vor­tra­ten.
    Mir kam es vor, als wä­re es ei­ner die­ser Mo­men­te, in de­nen die ge­sam­te Welt­schei­be still­stand.
    »Ja«, sag­te ich rau. Dies­mal glaub­te ich fast, den Ruck zu spü­ren, als sich die Schei­be wie­der dreh­te.
    Es war leicht. Um so vie­les leich­ter, als ich ge­dacht hat­te. So sehr hat­te ich mich ge­quält, da­ge­gen ge­sträubt, dass es mich fast ent­täusch­te, dass nichts von dem, was ich be­fürch­tet hat­te, ein­trat.
    Der Kampf, vor dem ich mich so sehr ge­fürch­tet hat­te, war schon lan­ge aus­ge­foch­ten. Je­des Mal, wenn See­len­rei­ßer ei­ne See­le zu den Göt­tern schick­te und mir die un­ge­leb­ten Jah­re mei­ner Op­fer über­trug, hat­te er mir mehr ge­ge­ben, als ich hat­te ein­se­hen wol­len. Je­des Mal hat­te ich da­ge­gen an­ge­kämpft, es nicht se­hen, es nicht wis­sen wol­len, mich da­ge­gen ver­wahrt, all das zu­rück­ge­scho­ben, bei­sei­te­ge­räumt und vor mir selbst ver­steckt.
    Jetzt muss­te ich nichts wei­ter tun, als mir ein­zu­ge­ste­hen, dass es schon im­mer so ge­we­sen war, dass all die­se Schat­ten, Er­in­ne­run­gen und Ta­len­te nur ge­dul­dig dar­auf ge­war­tet hat­ten, dass ich sie an­er­kann­te, ak­zep­tier­te, dass ich der war, der ich nie sein woll­te und schon im­mer war. Ver­flucht von den Göt­tern, ein Schick­sal an­zu­neh­men, das nie­mand tra­gen soll­te.
    In der ei­si­gen Kam­mer un­ter dem Gast­hof zum Ham­mer­kopf war ich mit den Göt­tern einen Han­del ein­ge­gan­gen. Sie hat­ten ih­ren Teil er­füllt  … dies war jetzt der Preis, den ich zu zah­len hat­te.
    Ei­ne selt­sa­me Ru­he kam über mich, als ich mich den Schat­ten öff­ne­te, die ich in mir trug.
    Es war nicht so, als ob sie mich über­neh­men wür­den, die Geis­ter mei­ner Ver­gan­gen­heit. Viel­mehr war es, als ob sie ge­dul­dig war­ten wür­den, bis ich sie frag­te, was sie mich leh­ren konn­ten. Vor al­lem aber war es nicht not­wen­dig, lan­ge zu ler­nen, ih­ren Ge­schich­ten zu lau­schen, ihr Le­ben zu le­ben. All die Ge­sich­ter, die ich hat­te ver­ges­sen wol­len, ih­re Ge­schich­ten, ihr Le­ben, ih­re

Weitere Kostenlose Bücher