Die Festung des Teufels
den Schienen, die zum Fluss und den Krokodilen hinunterführte. »Wenn jemand Sie schreien hört, ist es zu spät. Verstanden?«
Schernastyn nickte heftig. Max nahm die Hand von seinem Mund. »Ich gebe Ihnen eine Chance, aber nur eine einzige.«
»Hör zu, mein junger Freund, du bist dieser Sache gar nicht gewachsen, du hast keine Vorstellung davon, was hier läuft.« Er deutete mit dem Kinn auf die DVD in Max’ Hand. »Wenn es das ist, was wir gesucht haben, kommst du zu spät. Verstehst du? Überleg mal, in was für einer Lage du bist. Du kannst die Tausende von Leuten nicht retten, die jetzt bald sterben werden. Du hast nämlich überhaupt keine Vorstellung davon, was Shaka Chang getan hat.«
Schernastyn genoss es, ein Geheimnis zu kennen, von dem sein Gegenüber nichts wusste. »Du kommst aus diesem Fort niemals raus, und das weißt du auch.«
»Haben Sie Zugang zu diesem Computersystem?«
»Ja. Man kommt leicht hinein, vorausgesetzt, man kennt das Passwort.«
»Und Sie kennen das Passwort?«
Schernastyn zögerte kurz. Max sah ihn drohend an. Der Arzt steckte in einem tödlichen Dilemma. Wenn er Max nicht das Passwort verriet, wurde er an die Krokodile verfüttert. Undwenn er es tat und Chang dahinterkam, dass er es getan hatte, wurde er erst recht an die Krokodile verfüttert.
War der Junge wirklich dazu fähig? Konnte er das tun? Er war doch noch ein Kind. Er sah Max an. Völlig verdreckt, kein Gramm Fett am Leib, keine Pickel, von der Sonne gebräunt, die Fingernägel abgebrochen und schmutzig, eine sehnige Gestalt, kristallklare blaue Augen, die unnachgiebig unter dem zerzausten blonden Haarschopf hervorblickten.
Ein kleiner Junge.
Aber er wirkte äußerst entschlossen, und Schernastyn hatte seinen Vater gefoltert. Kein Zweifel, Max war alles zuzutrauen. Er würde es tun. Vielleicht war er ja das kleinere Übel. »Aleyssia Petrowitsch«, sagte Schernastyn schließlich.
»Aleyssia Petrowitsch ?«
»Eine Frau, die ich einmal geliebt habe. Das verstehst du nicht.«
»Buchstabieren Sie das! «
Schernastyn buchstabierte den Namen seiner verflossenen Liebe, und Max tippte die Buchstaben ein. Er drückte auf Enter und war drin.
»Wenn du mal älter bist, wirst du eines Tages so einer Frau begegnen, und sie wird dich …«
Max klebte ihm den Mund wieder zu.
»An Ihrem kläglichen Liebesleben habe ich nun wirklich kein Interesse, Doktor.«
Er suchte hektisch nach einem DVD-Laufwerk. Es gab keins. Er fand nur ein Kabel, das zu einer glatten Box führte, die ihn mit weit geöffnetem Maul aufzufordern schien, sie zu füttern. Max schob die DVD hinein und betete, dass sie nicht beschädigt war.
Der Computer war ungeheuer schnell. Viele Abbildungen,Tabellen, Landschaftsaufnahmen, Statistiken, Fotos von toten Buschmännern, Ergebnisse von Wasserproben, eingescannte handschriftliche Notizen; alles huschte mit rasender Geschwindigkeit über den Bildschirm. Informationsfetzen bombardierten sein Gehirn: Pharmakonzerne und Geld, Millionen, das Gesicht seines Vaters, der in die Kamera sprach. Noch mehr Fotos von toten Buschmännern, zwanzig oder dreißig Leichen, Männer, Frauen und Kinder. Und dann wieder Max’ Vater, der sein Geheimnis in die Kamera sprach.
»Was ich hier zusammengestellt habe, sind eindeutige und vernichtende Beweise für die Korruption multinationaler Konzerne und die Absicht eines Mannes, aus purem Machtstreben Tausende von Menschen zu ermorden.«
Max hielt das Bild an und betrachtete fasziniert das Gesicht des Mannes, den er als seinen Vater in Erinnerung hatte. Dieser starke Mann sah ihm direkt in die Augen, und obwohl er leise sprach, war seine Stimme fest und überzeugend, die Worte sorgfältig gewählt. Das war nicht der ausgemergelte, kraftlose Mann, den er eben noch in den Armen gehalten hatte. Er ließ das Bild weiterlaufen und hörte seinem Vater zu, der wie ein Kriegskorrespondent vor laufender Kamera berichtete, was er herausgefunden hatte. Dass westliche Pharmaunternehmen viele Jahre lang gesetzlich gezwungen waren, alle ihre unerwünschten Medikamente zu beseitigen. Die Kosten waren gewaltig, die Menge enorm, geradezu unglaublich. Und die Regierungen gewährten den Unternehmen Steuervergünstigungen in Millionenhöhe, damit sie diese oft giftigen Medikamente auf legale Weise entsorgen.
Max flüsterte: »Aber was hat Shaka Chang damit zu tun?« Und als hätte er die Frage gehört, sprach sein Vater auf dem Video weiter.
»Jahrelang, schon seit Beginn des Staudammprojekts,
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