Die Festung des Teufels
Empfinden, und er drohte, die Kontrolle über sich zu verlieren. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Alles, was er vor sich sah, verschwamm vor seinen Augen. Automatisch setzte er einen Fuß vor den anderen, doch auch das fiel ihm bald immer schwerer. Er hatte sich einen kleinen glatten Stein unter die Zunge gelegt, um den Speichelfluss anzuregen, aber das hatte nichts genützt; und obwohl er sich geschworen hatte, sparsam zu sein, war ihm der Rest des Wassers schon vor einigen Stunden durch die ausgedörrte Kehle geronnen. Die grausame Realität der Wildnis grub sich in sein Bewusstsein wie eine Zecke in die Haut. Er musste die Angst abschütteln. Er musste stark sein. Doch vor allem musste er etwas trinken.
!Koga warf einen Blick über die Schulter und sah Max schwer atmend am Boden knien. Mit ein paar Schritten war er bei ihm und führte ihn in den Schatten eines mickrigen alten Baumes. ! Koga legte Max eine Hand auf die Schulter und lächelte.Der verkümmerte Baum hatte eine kleine Aushöhlung am Stamm, wahrscheinlich das Werk eines Tieres. ! Koga begann, mit den Händen an dieser Stelle Sand fortzuschaufeln. Das tat er fast zwanzig Minuten lang. Dann zog er ein schmales Schilfrohr aus seinem Beutel, führte den armlangen Halm in das Loch und fing an zu saugen. Max fiel ein, wie einmal ein Mitschüler von ihm einen Schlauch in den Benzintank eines Lehrerautos geschoben und Benzin für seinen Roller abgezapft hatte. Doch er konnte sich nicht vorstellen, was !Koga mit diesem dünnen Stück Schilfrohr im Sand finden wollte.
Fünf Minuten später zog ! Koga ein zweites dünnes Schilfrohr aus seinem Beutel. Wortlos schob er die Hand unter Max’ Kinn und hob seinen Kopf sacht an. Er steckte sich das eine Ende des Schilfrohrs in den Mund und hielt Max das andere an die Lippen. Max spürte, wie ihm etwas Kühles, Nasses in den Mund tröpfelte. ! Koga hatte einen Mundvoll Wasser aus dem Boden gesaugt, flößte ihn Max ein und versagte sich, als Erster seinen Durst zu stillen.
Max nickte dankbar, er fühlte sich sofort viel besser. !Koga hockte sich wieder an den Fuß des Baumes und machte sich erneut an die Arbeit.
Es dauerte eine ganze Stunde, bis ! Koga genug Wasser gesammelt hatte, um die kleine Flasche zu füllen, die sie bei sich trugen. Die Buschmänner gewannen in Dürregebieten ihr Wasser meist aus Knollengewächsen und anderen Pflanzen, aber wenn diese selten waren, mussten sie Schlürflöcher suchen – Stellen, an denen Steine und hohle Bäume die Ansammlung von Tau begünstigten, den sie dann aus der Erde saugten.
Max erinnerte sich vage daran, in diesem Zusammenhang schon mal den Begriff Kapillaranziehung im Unterricht gehört zu haben.
Er spürte, wie sein Körper wieder zu Kräften kam. Jetzt schienen die Berge nicht mehr in ganz so weiter Ferne zu sein.
Noch immer war nichts Essbares in Sicht, obwohl ! Koga unverwandt den Blick am Boden hielt und nach Fährten suchte. Wenn sie nichts mehr fänden, würde ihnen eine kalte, hungrige Nacht in den Bergen bevorstehen, denn es schien unwahrscheinlich, dass es dort oben irgendwas zu jagen gab. Max wusste, dass er unter diesen Umständen immer schwächer werden würde. Am Ende würde er zusammenbrechen. Die Natur kennt kein Erbarmen. Und dann wäre er leichte Beute für Hyänen oder Löwen.
Die Stunden vergingen, im Tal herrschte Stille. Nur ab und zu war der Schrei eines Adlers zu hören oder das leise Klackern von winzigen Kieselsteinen, wenn irgendein kleines Tier diese ins Rutschen brachte. !Koga hatte das Tempo angezogen, und Max hielt Schritt, während der Buschmann mit großen Schritten voranging. Die Luft wurde merklich kühler; der Schatten des Berggipfels würde ihnen bald Schutz vor der sengenden Sonne bieten, die allmählich tiefer sank.
Plötzlich kauerte sich ! Koga auf den Boden und hob warnend die Hand. Er zeigte durch das Buschwerk. Max bemerkte eine flüchtige Bewegung. Ein kleiner Bock sah aus etwa zwanzig Metern Entfernung zu ihnen herüber. Es war ein Springbock, der aus dem Stand über drei Meter in die Höhe schnellen konnte. Sein Schwanz zuckte. Offenbar versuchte er, eine lästige Fliege abzuschütteln. Er fraß nicht von dem kärglichen Gras am Boden, sondern schaute sie weiterhin wachsam an, erkannte sie aber offenbar noch nicht als Gefahr.
!Koga spannte einen Pfeil in den Jagdbogen. Max betrachtete das schöne Tier. Der Anblick der großen, feuchten Augen quälte ihn. Sie würden den Bock töten. Sie mussten ihn
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