Die Festung des Teufels
töten.Wieder brach die Realität des Buschlands über ihn herein. Es ging hier ums Überleben; es gab keine abgepackten, in Zellophan verschweißte Fleischstücke aus dem Kühlregal. Wäre er jetzt zu Hause, und man würde ihm sagen, er solle ein Lamm töten und ihm die Kehle aufschneiden, wäre er über Nacht Vegetarier geworden. Hier sicherte ihm der Bock sein Überleben.
Das Tier machte einen Satz und preschte los, als sich der Pfeil unweit des Herzens in seine Flanke bohrte. Max hörte das laute Klappern der Hufe auf dem felsigen Boden, als der Bock davonrannte.
!Koga zögerte keinen Moment. Mit ein paar langen Sätzen war er an der Stelle, wo noch eben das zitternde Tier gestanden hatte. Es war wichtig, dass er sich dessen Hufabdruck genau ansah. Wenn er seine Beute verfolgte, musste er sichergehen, dass er dem richtigen Tier auf der Spur zu war. ! Koga kniete auf einem Bein, seine Augen suchten den Boden ab. Er hob seinen Pfeilschaft auf und warf einen Blick zurück, ob Max ihm auch folgte.
»Komm!« Ein geschickter Jäger konnte seine Familie am Leben erhalten, und ! Kogas Freude über seinen Erfolg sollte nicht gedämpft werden, weil Max’ beim Anblick des verletzten Tieres mulmig zumute war.
!Koga rannte los. Max mochte zwar gut trainiert sein, aber er spielte nicht in derselben Liga wie der magere Junge. Er rannte keuchend hinter ihm her, entschlossen, eine möglichst gute Figur zu machen. Zudem wollte er ! Koga auf keinen Fall enttäuschen.
Ein kleines Rudel Löwen – drei Weibchen, zwei Junge und ein Männchen – lagerte an einer kleinen Felsnase unter Akazienbäumen, deren mächtige Wurzeln aus der Erde wuchsen. DieLöwen waren etwa drei Kilometer entfernt, und obwohl sich kaum ein Lüftchen regte, hatten sie bereits die Witterung des angeschossenen Bocks aufgenommen. Und sie nahmen noch einen anderen Geruch wahr: Menschen. Sie hatten erst einmal einen Menschen getötet, doch der Geschmack war ihnen auf der Zunge geblieben – süß wie Warzenschwein, aber viel leichter zu töten. Die Löwen hatten keine Angst vor Menschen. Dies war ihr Territorium, und die Menschen waren Eindringlinge. Als Zugabe zu dem verletzten Tier würde es also noch Menschenfleisch geben. Nur mussten sie sich beeilen, sonst würden sich die Hyänen und Geier die besten Stücke herauspicken.
Zwei der Weibchen machten sich mit langen Sprüngen auf den Weg. Das dritte blieb bei den Jungtieren, und das männliche Tier stolzierte weiter träge umher.
Heute Abend würde das Rudel zu fressen haben.
Das langsam wirkende Pfeilgift hatte den jungen Springbock endlich geschwächt, und er lag hilflos auf der Erde. Ächzend vor Anstrengung kam Max gerade dazu, als !Koga dem armen Tier die Kehle durchschnitt. Es zuckte zusammen und verendete rasch. !Koga hielt Max sein Messer hin.
»Kannst du häuten?« Die Frage war eher eine Herausforderung, das spürte Max deutlich. Schon schlimm genug, dass sie zum Überleben allein auf ! Kogas Jagdkünste angewiesen waren. Wollte er ihn etwa verspotten? Welchen Beitrag konnte Max leisten? Max nickte. Er sah über !Kogas selbst gefertigtes Messer hinweg und holte sein eigenes zehn Zentimeter langes Buschmesser hervor.
!Koga schnitt vorsichtig den Bauch des Springbocks an und schob mit dem Daumen die Haut zur Seite. Er achtete darauf,das Fleisch nicht dadurch zu verderben, dass er in den Magen stach und dessen Flüssigkeit herauslief. Mit geschickten Fingern zog er die Eingeweide heraus, die ihm über die Hand glitten und in den Sand plumpsten. Er fasste in die Bauchhöhle und schnitt Herz und Leber hervor, wie es sein Recht war: Der Jäger, der das Tier erlegt hatte, nahm sich die besten Stücke. Herz, Leber und Zunge hatten besonders viel Fett und Eiweiß. Er handelte damit keineswegs selbstsüchtig, sondern nur zweckmäßig. Ein Jäger brauchte Ausdauer für die Pirsch und Kraft, um kilometerweit hinter dem verwundeten Tier herzurennen. Doch wenn ein Buschmann ein Tier erlegt hatte, blieb auch kein Mitglied seiner Familie hungrig – sie teilten alles miteinander.
Max rang mit sich, ob er das tun sollte, was von ihm erwartet wurde. Der Platzwart an der Dartmoor High hatte immer Kaninchen geschossen, und Max hatte ihm beim Häuten zugesehen. Damals war es ihm ziemlich einfach vorgekommen, doch nun wusste er nicht, wo er bei einem Tier dieser Größe das Messer ansetzen sollte.
!Koga nahm seine rechte Hand und führte sie sanft, zeigte ihm bereitwillig, wie er die Klinge halten
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