Die Festung des Teufels
das wissen?«, fragte er und grinste. »Mein Dad kauft mir ein Kajak.«
»Da hast du ja Glück. Aber dann würdest du drüben in der Marina ablegen, nicht hier.« Der Mann konnte seine Augen nicht von ihr abwenden. In seinem Funkgerät knarzte es, doch er achtete nicht darauf. Gut aussehende Mädchen machten um Typen wie ihn normalerweise einen weiten Bogen. »Du musst verdammt aufpassen dort draußen. Die Flut kommt nämlich sehr schnell. Und dazu die Trawler da drüben und die Robben, die ziehen die Haie an. Da möchte man nicht ins Wasser gestoßen werden. Du solltest eigentlich nicht hier herumlaufen. Der Hafen ist ein raues Pflaster.«
Kallie sah sich verstohlen um. Hafenarbeiter kamen und gingen, Gabelstapler fuhren kleinere Kisten herum. Sie war sich sicher: Wenn ihr hier irgendjemand blöd kam, waren genug Leute da, die ihr helfen würden.
»Ich seh mich nur ein bisschen um. Hier draußen sind ja jede Menge Schiffe und riesige Container – da kriegt man schon etwas Bammel.« Sie war sich nicht sicher, ob sie hilflos genug dreinblickte.
»Der Wasserstand wechselt dauernd. Normalerweise sind es schon ein paar Meter Unterschied zwischen Ebbe und Flut. Hör mal, ich hab sowieso gleich Pause, gehen wir doch einen Kaffee trinken, dann erzähl ich dir alles, was du wissen musst.«
»Danke, aber damit wäre mein Dad bestimmt nicht einverstanden.«
»Na, du brauchst deinem Dad auch nicht alles erzählen.« »Der bekäme es trotzdem raus.«
»Meinst du?«
»Ja. Er ist hier der Polizeichef.« Die Lüge ging ihr glatt über die Lippen. Fast hätte sie es nicht geschafft, das Lachen zu unterdrücken,als sie das Gesicht des Mannes sah. »Aber trotzdem, vielen Dank.«
Sie ging an dem Typ vorbei, der gerade noch »Kein Problem« herausbrachte.
Der Kai war anderthalb Kilometer lang, unterteilt in acht Liegeplätze für die großen Schiffe. Kallie lief ihn in ganzer Länge ab. Alle Liegeplätze bis auf den letzten waren belegt, und zwei Schlepper waren gerade im Begriff, ein großes Containerschiff an seinen Platz zu manövrieren.
Wenn die Angaben in der Polizeiakte korrekt waren, dann musste er von einem dieser weit entfernten Punkte von der Flut hereingespült worden sein. Ein Stacheldrahtzaun hinderte sie daran, noch näher an das Schiff heranzukommen, das gerade langsam an den Kai gesteuert wurde. Dieser Platz hatte eine eigene Entladeeinheit; eine riesige Halle fungierte als Lagerhaus, in dem Container gestapelt waren. Am anderen Ende des Hangars befand sich der einzige Zugang, der von einem bewaffneten Mann bewacht wurde.
Auf dem Dach des Gebäudes sah sie ein gemaltes Emblem, das Logo der Firma, dem diese Halle gehörte: eine Kobra, die ihre Giftzähne entblößt hatte und sich um einen Speer wand. Kallie identifizierte ihn als Assegai, den kurzen Stoßspeer mit der langen Spitze, den die Zulukrieger bei ihren zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen verwendeten. Auf beiden Seiten der Speerspitze prangte der Buchstabe S. Kallie stockte der Atem: SS – Shaka Spear . Das Gebäude gehörte der Firma von Shaka Chang.
Ein Schatten tauchte auf. Kallie fuhr herum. Der Mann, mit dem sie gesprochen hatte, stand wenige Meter von ihr entfernt. Sie hatte sich selbst den Fluchtweg versperrt – hinter ihr der Drahtzaun, links gestapelte Container, rechts das Meer.
Der Mann lächelte unangenehm, er leckte sich nervös mit der Zunge über die Lippen. »Ah, Mr Changs Schiffe interessieren dich also mehr als ich.«
Das große Schiff hatte jetzt am Kai angelegt. Kallie schaute hinauf zu dem Namen, der sich um das gebogene Heck herumzog: Zulu King . Shaka Chang gehörten die Schifffahrtsgesellschaft und die Lagerhalle, und er brachte Hunderte von Containern herein. Hatte das Anton Leopolds Verdacht geweckt? Hatte er herausgefunden, was in der Halle oder in den Containern gelagert wurde? Ihre Gedanken schlugen Purzelbäume, da packte der Mann sie und drehte ihr den Arm auf den Rücken. Er zerrte sie in die dunkle Gasse zwischen den Containerstapeln. Kallie wehrte sich, doch der Mann drückte ihr seine schwielige, ölverschmierte Hand, die sich anfühlte wie Sandpapier, auf den Mund.
»Wenn ich mit dir fertig bin, kannst du schreien, so viel du willst«, knurrte er.
Kallie wurde übel von seinem stinkenden Atem. Sie ließ die Schultern sinken, griff nach hinten, bohrte ihm ihre Fingernägel ins Gesicht und in die Augen und rammte dann die Ferse an seinem Schienbein entlang auf seinen Spann, genau wie ihr Vater es
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