Die Festung des Teufels
schlagen, und wenn die das nicht tut, wende ich mich an die Zeitungen.«
»Das ist doch total gefährlich. Die Polizei könnte den Spieß umdrehen und dich festnehmen. Und die Spione könnten dich mit Leichtigkeit irgendwo verschwinden lassen. Sayid, mach keine Dummheiten.«
»Und du? Was machst du? Auf die Weise kommt vielleicht wenigstens einer von uns an Leute heran, die was unternehmen können. Von dir werde ich kein Wort sagen, egal mit wem ich rede.«
»Ich werde dich auch nicht verraten, wenn sie mich schnappen.« Sie überlegte eine Weile. »Hey, ich hoffe, wir treffen uns irgendwann mal.«
»Ich auch.«
»Und Max.«
»Klar. Ganz bestimmt.«
»Fürs Erste sind wir zwei auf uns allein gestellt«, sagte sie.
»Nein. Genau genommen sind wir zu dritt, und Max ist stark, und er ist sehr konsequent in allem, was er tut. Er würde auch noch mit zwei gebrochenen Beinen versuchen, kriechend sein Ziel zu erreichen. Wir müssen so mutig sein wie er, Kallie. Ich muss was unternehmen.«
Bei diesen letzten Worten wurde ihm klar, dass er alles aufsSpiel setzte, was er hatte. Und nicht nur er selbst. Womöglich wurde am Ende auch seine Mutter ausgewiesen, und sie beide würden in das Land zurückgeschickt werden, in dem sein Vater ermordet worden war.
»Wir sollten bald wieder miteinander sprechen«, sagte er. »Sicher. Viel Glück, Sayid.«
»Wünsch ich dir auch.« Sayid schaltete das Handy aus. Jetzt gab es kein Zurück mehr.
Einige Minuten später stand er vor dem Zimmer seiner Mutter. Er klopfte an, und sie rief: »Herein!«
Er öffnete die Tür. Seine Mutter korrigierte Klassenarbeiten. Sayid blieb stehen. Sie sah ihn kurz an und bemerkte, wie nervös er war.
»Was gibt’s denn?«, fragte sie freundlich.
Kallie sah auf den in der Hitze flimmernden Landestreifen hinaus und legte ihre Route fest. Sie hatte noch einen weiten Weg vor sich, dabei war sie nach dem langen Flug jetzt schon müde.
Tobias stellte sich neben sie. Er trank einen Schluck Bier und sagte leise: »Sprich mit deinem Vater. Der wird wissen, was zu tun ist.«
Sie schüttelte den Kopf. Wenn es nur so einfach wäre, aber sie wusste, das durfte sie nicht riskieren. Ihr Vater liebte sie, daran hatte sie keinen Zweifel, aber seine Reaktion konnte einen kleinen Krieg auslösen, und sie wollte nicht zwischen die Fronten geraten.
Jemand hatte ein Dartmoor-Fohlen überfahren. Die Hochmoorstraße war nicht nur eine Touristenattraktion, sondern wurde von den Einheimischen auch als Abkürzung durch dasMoorgebiet zu einer der Hauptstraßen genutzt. Üblicherweise hielten die Leute nicht an, wenn sie ein Tier überfahren hatten, sei es ein Schaf oder ein Pony, und auch diesmal war es nicht anders.
Hilfspolizistin Debbie Shilton hatte veranlasst, dass der Bauer sein verendetes Tier von der Straße holte, und nachdem sie ihren Bericht geschrieben hatte, schloss sie jetzt die Tür der kleinen Dorfpolizeiwache hinter sich. Die Teilzeitpolizistin hatte einen anstrengenden Tag gehabt; erst hatte sie zwei Nachbarn beruhigen müssen, die sich wegen der Höhe der Hecke zwischen ihren Grundstücken in die Haare geraten waren, und dann hatte sie vor dem Frauenklub des Dorfs im Gemeindesaal einen Vortrag über Sicherheit in den eigenen vier Wänden gehalten, auch wenn in diesem Teil der Welt keine allzu großen Gefahren lauerten. Ein Polizist wurde hier eigentlich kaum gebraucht, und im Etat der Polizei war kein Geld für jemanden vorgesehen, der Formulare wegen vermisster Hunde oder Vorfahrtsvergehen ausfüllte, aber der Tod des Fohlens bekümmerte sie. Sie begriff einfach nicht, wie manche Leute so gefühllos sein konnten. Ein Tier überfahren und dann verletzt liegen lassen – das ging entschieden zu weit, und sie wollte, dass die Schuldigen, falls sie jemals ermittelt wurden, die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekamen. Aber das geschah leider nur selten, selbst dann, wenn sich Missetäter auf frischer Tat ertappen ließen. Manchmal machte es sie richtig krank, wie sich die Leute verhielten. Vielleicht war sie nicht einmal für den Job als Hilfspolizistin geeignet.
Ein Auto fuhr langsam vor und hielt schließlich an. Neben der Fahrerin mittleren Alters saß ein Junge. Der Junge wirkte nervös, die Frau verängstigt.
»Bitte, können Sie uns helfen?«, fragte die Frau.
Und schon hatte Shilton ihre Selbstzweifel vergessen – anderen Leuten zu helfen, dafür war sie da. Obwohl sie beim Anblick des Jungen annahm, dass es wahrscheinlich bloß um
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