Die Festung des Teufels
schrubbten die Duschen, säuberten die Toiletten, wischten die Fliesen, polierten die Spiegel und sorgten dafür, dass immer ausreichend Klopapier da war. Niemandtat das gern, und manche Jungen schlossen untereinander Abkommen, um sich vor ihrem wöchentlichen Dienst zu drücken – der fiel nicht in die Unterrichtszeit, denn dann hätte es Scharen von Freiwilligen gegeben, sondern auf ihren freien Nachmittag. Jeden Mittwoch brachte der Schulbus die Jungen nämlich in die Stadt, wo Kinos und Cafés, Plattenläden und Buchhandlungen lockten, und wo einige der älteren Jungen unerklärlicherweise ihre Zeit damit verbrachten, Mädchen anzuquatschen.
Sayid hatte freiwillig mit einem seiner Freunde getauscht, angeblich, weil er für Ende des Jahres ein paar freie Mittwochnachmittage ansammeln wollte. Tatsächlich brauchte Sayid die Stunden, um sich ungestört mit der rätselhaften Telefonnummer zu beschäftigen, die Peterson angerufen hatte und die sich einfach nicht lokalisieren ließ.
Sayid hatte noch nie so große Schwierigkeiten beim Hacken gehabt, wie jetzt bei dem Versuch, die Codes des Datenspeichersystems der Telefongesellschaft zu knacken. Im Prinzip ging es um die einfache Ermittlung einer verschlüsselten Telefonnummer. Eine Rückwärtssuche hatte nichts ergeben, weil die Nummer nicht eingetragen war. Auf seinem Monitor war kurz eine Londoner Adresse erschienen, aber gleich wieder verschwunden. Dort, wo in einem großen Fenster mit orangefarbenem Hintergrund die Zwischenstationen der Telefonverbindungen angezeigt werden sollten, war der Monitor einfach schwarz geblieben. Wie die meisten Hacker war Sayid Autodidakt, aber fähig und zäh genug, lange an einem Problem zu arbeiten. Am Anfang hatte er mit Python programmiert, dann mit Java und war schließlich zu C gekommen, aber die ewige Fehlersucherei war ihm zu lästig, und so hatte er seine Hardware aufgerüstet und wieder mit Python weitergemacht. Erwusste, eines Tages würde er auch LISP lernen müssen, die älteste Programmiersprache, aber um damit vernünftig umzugehen, brauchte man Zeit und Erfahrung; trotzdem war sie immer noch die erste Wahl, wenn es um elektronische Recherchen ging. Allmählich machte Sayid sich in der Netzgemeinde einen Namen. Was die Hacker miteinander verband und zusammenhielt, war ihre Freude am Programmieren. In Amerika gab es Leute, die ihr Leben in Kellern verbrachten, umgeben von Computern, vertieft in die unendlichen Möglichkeiten, die vor ihnen lagen. Sayid kannte einige, die in den Forschungsabteilungen großer Computerhersteller arbeiteten, und obwohl ihre Namen natürlich alle verschlüsselt waren, hatte er an einen von ihnen ein dringendes Hilfegesuch geschickt. Das war gestern gewesen.
Er fuhr ein letztes Mal mit dem Gummischrubber über den Kachelboden: alles blitzsauber. Er hatte in kurzer Zeit gute Arbeit geleistet. Jetzt musste er auf sein Zimmer zurück. Er stellte das Warnschild auf – Achtung! Nasser Boden! – und baute Mopp, Eimer, Schrubber und Putzmittelflaschen zu einem kleinen Hindernisparcours auf, für den Fall, dass ein Lehrer neugierig wurde. Sollte etwas davon umgestoßen werden, konnte er rechtzeitig aus seinem Zimmer zurückeilen und so tun, als sei er nie fort gewesen.
Über seinen Monitor tanzte gerade ein kleiner Derwisch. Eine Nachricht aus Amerika. Um die Nachricht zu empfangen, musste er den Derwisch doppelklicken. Kaum hatte er das getan, füllte sich der Bildschirm mit Buchstabengewirr, und er gab eine zuvor vereinbarte Zugangskennung ein. Die Ziffern schossen wie Harpunen vom unteren Bildschirmrand nach oben, rissen einzelne Buchstaben und Wörter heraus und setzten sie neu zusammen, bis die ganze Nachricht dekodiert war.
hey, hier ist dein Code King Buddy. wie geht’s? das ist eine große sache, mann. diese nummer. die telefonzentrale kannst du vergessen, da kommst du sowieso nicht weiter. absolut zwecklos. der kann überall sein und die rufumleitung benutzen. cool, diese nummer. keine zeit für ratespielchen. dein mann ist außer reichweite. verschlüsselung durch spionageabwehr. den namen kriegst du nie. der ist beim MI6. sei vorsichtig, freund. friede und viel glück, bloß nicht den bösen.
Der britische Geheimdienst. Mit so einem mächtigen Gegner hatte Sayid nicht gerechnet. Er starrte den Bildschirm noch einige Sekunden lang an, dann löschte er alles. Wenn der MI6 hinter Max’ Vater her war, musste er etwas Ernstes angerichtet haben. Peterson hatte demnach
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