Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Festung

Die Festung

Titel: Die Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
Vom Netzwerk:
habe nur so
getan, Zafranijas wegen. Er ist ein Schnüffler.«
    »Ich weiß.«
    »Außerdem waren wir bei einem
interessanten Gespräch. Weißt du, was ich ihn gefragt habe? Warum ihnen diese peinliche
Sache in der Festung passiert ist. Und warum sie so ein Geschrei um Ramiz
erheben. Er hat mich nur stumm angesehen und geschluckt.«
    »Warum hast du Mahmut nicht
vorgelassen?«
    »Welchen Mahmut?«
    »Er war gestern abend in Zajkos
Schenke mir dir zusammen.«
    »Ach, der! Aber wie soll ich mich in
diesem Gewimmel um ihn kümmern? Du siehst selbst, wie voll das Haus ist. Wer
war nicht alles da! Der Kadi, der Muselim, der Mufti, der Defterdar. Ich habe
sie alle an einen Tisch gesetzt. Dabei weiß ich, daß sie wie Hund und Katze
sind. Mal sehen, was daraus wird, sage ich mir. Aber sie sitzen brav
nebeneinander, lächeln säuerlich, sagen das eine oder andere Wort, damit die
Leute nicht sehen, was sie untereinander haben, obwohl das ein öffentliches
Geheimnis ist. Der Muselim hat es nicht lange ausgehalten, er ist als erster
aufgestanden und hat sich höflich verabschiedet. Nicht lange danach hat sich
auch der Kadi verdrückt, ganz grün vor Wut. Du glaubst nicht, was für Spaß ich
hatte.«
    Er genieße es auch, sagte er, daß
alle bei Šehaga zu Kreuz kriechen müßten, obwohl sie wüßten, daß er sie nicht
leiden könne. Sie kämen aber, weil sie Angst vor ihm hätten. Sie wüßten, daß er
gestern beim Wali gewesen sei, sie wüßten, daß er auch heute hingehen würde, um
zum Bairam zu gratulieren, und er konnte außer seinem Glückwunsch noch
allerhand vorbringen. Sie stürben vor Angst, daß er ihnen schaden könne, also
lächelten sie liebenswürdig, obwohl sie Magenschmerzen bekämen, wenn sie ihn
nur sähen. Sie hätten des Walis wegen Angst vor Šehaga. Der Wali brauche nicht
viel, um ihnen etwas anzuhaben, denn so wie sie sich untereinander haßten, so
haßten sie auch ihn. Und der Wali sie. Wäre es nicht so gewesen, dann wehe uns!
Wären sie einig gewesen, sie hätten uns mit Haut und Haaren aufgefressen. Uns
rettete ihr gegenseitiger Haß, Gott segne ihn. So war es immer und überall, so
daß die übrigen Menschen irgendwie den Kopf aus der Schlinge zogen, während
ihrer am seidenen Faden hing. Šehaga vermochte manches, er vermochte so viel,
daß sie sicher vom Fieber geschüttelt wurden, wenn sie daran dachten. War
Šehaga der Freund des Walis? Keineswegs, unter den Mächtigen gab es keine
Freundschaft. Zwar behaupteten beide, Freunde zu sein, sie hatten es nötig,
aber sie waren es nicht. Ein Freund sei etwas anderes, er wisse nicht was,
aber nicht dies. Der Wali sei bei Šehaga verschuldet. Er lebe auf großem Fuß,
sei aber mittellos hier eingetroffen, und Šehaga sei ihm zur Hand gewesen,
habe ihm Geld angeboten, damit er nicht darben müsse. Und er habe es sich
wirklich an nichts fehlen lassen, binnen kurzer Zeit habe er hundert Beutel
Dukaten angenommen. Wofür er sie ausgegeben habe? Erstens gebe er viel aus,
weil er es leicht gewonnen habe, und zum zweiten habe er nicht alles
ausgegeben, er würde vieles dorthin mitnehmen, von wo er gekommen war. Sie
kämen mit leichtem Gepäck und kehrten vollbeladen, mit ganzen Karawanen zurück.
Es sei seltsam, daß kein Hochgestellter Anstand bewahren könne. Entweder
fürchteten sie sich vor jeder Veränderung, und sie mußten ja auch leben, wenn
sie abgesetzt waren, oder der Posten war so, daß es einem schwer wurde, nichts
zu nehmen, solange man ihn besaß. Danach seien sie bisweilen auch anständig.
Von einer Rückzahlung der Schulden sprächen weder der Wali noch Šehaga, der
Wali, weil er nicht zahlen wollte, Šehaga, weil es sich für ihn nicht lohnte,
denn mit diesen Schulden war der Wali kleiner als in Wirklichkeit, Šehaga
größer als in Wirklichkeit. Ohne die Schulden wäre der Wali stark wie eine Burg
gewesen, jedoch um hundert Beutel Dukaten leichter, und das sei ein ganzes
Vermögen, also verbliebe er lieber bei weniger Würde und mehr Geld. Daran könne man sehen, wie nützlich das
Geld sei, denn wenn die Obrigkeit eine Plage sei, so mache ihre Begehrlichkeit
sie erträglich. Ob Šehaga nicht befürchte, daß ihn gerade diese Schulden den
Kopf kosten könnten, weil sich der Wali auf diese Weise seiner Verpflichtung
entledigen könne? Das sei es ja eben, daß er sich ihrer nicht entledigen würde.
Šehaga sei klug und wisse, auf welcher Hochzeit er tanze: Er habe sich vom Wali
eine gesiegelte und gerichtlich bestätigte Urkunde darüber geben

Weitere Kostenlose Bücher