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Die Festung

Die Festung

Titel: Die Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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Omer Skakavac entdeckte
ich schon von der Straße aus, er säuberte mit einer Gabel den Heuschober vom
Schnee, hochgewachsen, mager, sehnig, mit offenem Hemd und entblößter Brust,
einen Pelz umgehängt, der ihn bei der Arbeit behinderte, so daß er ihn mit
gemessenen Bewegungen auf die Schultern zurückwarf.
    Zwei Burschen, wahrscheinlich seine
Söhne, brachten das Heu in den Stall, aus dem Pferdegewieher und unruhiges
Trappeln zu hören war.
    Der Alte musterte mich kühl mit
scharfen schwarzen Augen, mit gefährlichen und mißtrauischen Augen, drohend wie
Messerspitzen, ich hätte nicht vor ihnen stehen mögen, wenn sie aufloderten,
wenn aus dieser Glut unter dem weißen Dach der dichten Brauen das Feuer schoß.
Alles an ihm war bereit zur Abwehr, die Hände, die die Gabel umklammerten, die gegrätschten
sehnigen Beine, das vorspringende knochige Kinn, die verkniffenen Lippen.
    Er fragte nicht, warum ich kam, was
ich wollte, wen ich suchte, er wartete ab, um sich zu äußern, wenn ich das
Meine gesagt hatte. Ob es unwichtig, bedeutsam, gefährlich war, er würde alles
in gleicher Weise aufnehmen und tun, was für ihn das nützlichste war.
    Sein Schweigen war unheimlich.
Solange ich nicht sprach, war ich sein Feind. Darum begann ich ungefragt zu
reden und sprudelte in einem Atem Zajkos und Osmans Botschaft hervor.
    Der alte Skakavac hörte mich mit
derselben drohenden Ruhe an, nur daß sich zwischen den weißen Brauen eine
scharfe Falte zeigte, und er rief wütend nach seinen Söhnen.
    Sie kamen aus dem Stall gelaufen,
mit Gabeln in der Hand, und musterten mich feindselig.
    »Nehmt das Pferd und holt diesen
Dummkopf aus Zajkos Schenke. Er hat sich betrunken und redet Unsinn.«
    Die Söhne machten sofort kehrt,
offenbar enttäuscht, weil nicht ich der Schuldige war, und gingen in den Stall,
um das Pferd zu holen, während der Alte weiter das Heu vom Schnee säuberte. Er
sah mich weder an, noch dankte er mir, das Gespräch war beendet, ich hatte das
Meine getan, er das Seine, und damit war alles erledigt. Ich konnte meiner Wege
gehen.
    Und ich ging, nachdem ich einen Gruß
gemurmelt hatte, den er nicht hörte und nicht hören wollte, ich ging rückwärts,
um ihm nicht gleich meine Kehrseite zu zeigen, verwirrt durch seine
Schweigsamkeit und den feindseligen Blick, beunruhigt, als befände ich mich in
einer Räuberhöhle.
    Ich atmete auf, als ich die Gasse
erreicht hatte.
    Gott mochte mich vor einer Begegnung
mit dieser Familie Skakavac auf einem Pfad im dichten Wald bewahren. Sie hätten
die Messer nicht einmal ziehen müssen, ich wäre vor Angst gestorben, durchbohrt
von ihren schrecklichen Blikken.
    Mit was für gräßlichen Leuten hatte
sich Osman verbünden müssen, um einen guten Menschen zu retten!
    Gab es denn ohne Gewalt keine guten
Werke?
    Seid verwünscht, ihr werdet mir als
Schreckgespenster im Traum erscheinen. Gott sei Dank, daß ich keine wichtigen
Dinge vorhabe und keiner anderen Familie Skakavac begegnen muß.
    Lang mochte mein armer guter Mahmut
leben, vor dem nicht einmal die Katzen Angst hatten.

Vater und Sohn
    Was drei Tage nach diesem Besuch geschah,
überzeugte mich davon, daß sich jeder an seinen Weg halten und keinen fremden
betreten sollte. Ich wußte zwar nicht, welcher Weg der meine war, wußte aber,
welcher es nicht war.
    Avdija Skakavac, Omers jüngster
Sohn, war ganz plötzlich gestorben, und an diesem Tag fand die Totenfeier
statt. Er hatte keine Krankheiten gekannt, war gesund gewesen wie ein Fohlen,
nun hatte ihn der ungewohnte Alkohol dahingerafft.
    Der Vater und die Brüder machten ihn
selbst zurecht, sie wuschen ihn, hüllten ihn in Leinen und riefen drei Hodschas,
um für seine Seele zu beten. Tag und Nacht wachte der alte Omer bei dem toten
Sohn, der unter dem weißen Laken mitten im Zimmer lag.
    Osman forderte mich auf, mit ihm vor
die Beg-Moschee zur Totenfeier zu gehen. Er erzählte mir alles über Avdija.
    »Dann haben sie ihn umgebracht«,
sagte ich entsetzt bei der Erinnerung an Omer Skakavac' mörderischen Blick.
    »Das glaube ich nicht. Vielleicht
hat er wirklich nur zuviel getrunken.«
    Aber die Art, wie er meine Zweifel
zu zerstreuen suchte, überzeugte nicht. Er tat es anstandshalber, ohne großen
Einsatz.
    Nein, sie hatten ihn umgebracht, das
wußte auch Osman, er selbst hatte mir diesen Gedanken eingeflößt. Jetzt sagte
er, was er sagen mußte.
    Sie waren über ihn hergefallen, um
ihm Vernunft einzuprügeln, und dabei hatten sie ihm, ohne es zu wollen, die
Seele

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