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Die Festung

Die Festung

Titel: Die Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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    »Dieses Teufelswerk hat die Leute
erschreckt«, erklärte er, »und sie können Zaubersprüche gegen alles gebrauchen.
Ich kenne welche gegen Furcht, gegen Verhexung, gegen Krankheiten. Ihnen wird
es nicht schaden, mir wird es helfen.«
    Wir stiegen langsam bergan, ruhten
oft und lange aus, weil Mahmuts Beine schmerzten, obwohl er behauptete, das
Gehen tue ihm gut und er könne danach besser schlafen. Mir war es gleichgültig,
ich war jung, gesund und an Fußmärsche gewöhnt durch die Jagd nach Arbeit, die
es nicht gab, dies war mir willkommen, denn ich würde davon angenehmer ermüden
als unten in der Stadt und meine Sorgen vergessen.
    Bei jeder Quelle machten wir halt,
unter jedem breitästigen Baum oder wo es auch sei, wenn Mahmut die Beine versagten.
    Aber wenn auch seine Beine
versagten, die Zunge tat es nicht. Er redete unaufhörlich und knüpfte an das
Begonnene an, sobald wir uns gesetzt und ein wenig verschnauft hatten, über
Gott und die Welt, über Menschen, denen wir im Leben begegnet waren, über
Tijana, über mich, über seine Frau, er redete, um nachzuholen, was er in der
Zeit des Schweigens in der Verbannung und in der Einsamkeit hier versäumt
hatte, jetzt aber hatte er einen Freund, der zuhörte.
    Seine Geschichten waren nicht
uninteressant, er hatte allerhand erlebt, und seine Worte waren in leidvoller
Erfahrung gereift, aber er redete in Flicken und Fetzen, ohne Zusammenhang.
Sein Gedächtnis bewahrte keine Kette von Erinnerungen, sondern Bruchstücke
eines Mosaiks, das zusammenzufügen er sich gar nicht bemühte. Und er suchte in
nichts einen Sinn, eine Lehre, eine Deutung, ihm genügte das Ereignis an sich,
was brauchte es mehr?
    Seltsamerweise zeichnete er dagegen
ein durchaus vollständiges Bild von seiner Frau. Sein Bericht über sie bestand
aus mehreren Abschnitten, die er, unterbrochen durch einige Verschnaufpausen,
aufeinanderfolgen ließ, ohne zu etwas anderem abzuschweifen. Es war das erste
Mal, daß er zu mir über seine Frau sprach. Anfangs lachte ich, weil ich es so
ungewöhnlich fand, dann aber hörte ich staunend dieser seltsamsten
Liebeserklärung zu, die mir je zu Ohren gekommen war.
    Jetzt sei sie häßlich, sagte er, und
in ihrer Jugend sei sie noch häßlicher gewesen, nur auf ganz andere Art. Früher
hätten ihre großen Zähne aus dem Gesicht geragt, nun seien zwei oder drei
Stummel zwischen Doppelkinn und Wangenspeck übriggeblieben, und es scheine,
als lache sie in einem fort. Er wisse, daß sie nicht lache, aber die gebleckten
Zähne ließen keine mürrische Miene zu, selbst wenn sie Gift versprühe. Übrigens
zeige sie sie nicht gern, denn sie wisse, daß sie nicht eben schön seien, also
schweige sie meistens. Das lasse er sich eine Weile gefallen, aber wenn er ihr
unbeabsichtigtes Lachen sehen wolle, wisse er sie auch zu erzürnen, so daß sie
zu reden beginne. Dann mache sie das Schweigen reichlich wett, ohne Rücksicht
auf Schönheit, und er höre mit Vergnügen ihre gepfefferten Worte, zu denen die
drei entblößten oberen Zähne unaufhörlich lachten und aus allem eine Art
fröhlicher Schelte machten. Was sie sage, sei nicht eben gescheit, und das sei
gut, so brauche er sich nicht vor ihr zu schämen. Andererseits müsse er
zugeben, daß sie klüger sei als er, und das sei gewöhnlich so, nur daß er es
eingestehe, andere nicht. Wie sie auch seien, die Frauen seien weiser und
besser als die Männer. Man dürfe es ihnen nicht sagen, aber die Männer seien
dumm, eitel, eingebildet, sie taugten nicht viel, offen gesprochen. Und es sei
ein Wunder, daß die Frauen es mit uns aushielten. Er habe es an sich selbst
erfahren, was habe er nicht alles angestellt, aber sie warte immer auf ihn, als
komme er aus der Moschee. Auf jeden Fall seien sie mehr wert als wir.
Beispielsweise sei ich klug, aber nichts für ungut, Tijana sei klüger und mir
in allem zehnmal überlegen. Seine Frau sei zwar nicht wie meine, denn ich hätte
unverdientes Glück gehabt, aber seine sei auch nicht schlecht. Sie sei nicht
sehr ordentlich, aber worin sollte sie ordentlich sein? Sie sei nicht sparsam,
aber woran solle sie sparen? Wenn sie Launen habe, ginge er fort, so daß es ihn
nicht störe. Sie habe schlechte Laune, weil er ginge und weil er bliebe, also
wähle er den bequemsten Weg. Und was er auch vorhabe, er wisse, daß er sie zu
Hause antreffen würde, sie warte auf ihn, den Nichtsnutz, auf daß sie das Leben
weiterführten, das ihnen Gott bestimmt habe. Nein, er würde sie

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