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Die fetten Jahre

Die fetten Jahre

Titel: Die fetten Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koonchung Chan
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diese neue Form der Befehlswirtschaft realisieren.
    Die Weltwirtschaftskrise hatte den Westen so schwer angeschlagen, dass er sich kaum mehr zu helfen wusste. Für China jedoch stellte sie sich als Jahrhundertchance heraus. Die bereits angezählte Regierung schaffte es, eine von der Wirtschaft ausgelöste soziale und politische Krise innerhalb kürzester Zeit als einmalige Chance zu erkennen und zu nutzen. Alle Welt sprach nur noch von Chinas Goldenem Zeitalter.
    Ein Jahr später vollzog sich ein reibungsloser Führungswechsel. Für He Dongsheng lief jedoch nicht alles nach Plan. Sein Wunsch, ins Parteisekretariat einzuziehen erfüllte sich nicht; er wurde lediglich vom Kandidaten zum ständigen Mitglied des Politbüros befördert. Er diente damit bereits seiner dritten Regierung. Am ersten Jahrestag von Feuer, Eis und Gold gratulierte er sich daher nicht ganz ohne Selbstironie: »Toll gemacht, He Dongsheng!«

Ein hundert Jahre alter Traum
    Fang Caodi und Xiaoxi hatten eigentlich noch viele Fragen stellen wollen, aber He Dongshengs Ausführungen nahmen sie völlig gefangen. Nachdem sie ihre Geisel zur Toilette gebracht und noch etwas Wasser verabreicht hatten, wurde He Dongsheng noch energiegeladener. Einmal angefangen, redete er in einem fort und entwickelte eine Anziehungskraft, der sich die vier nur schwer entziehen konnten.
    Fang Caodi und Xiaoxi leugneten nicht, dass es China in den vergangenen zwei Jahren wirtschaftlich sehr gut ging, aber politisch gesehen sah es ihrer Meinung nach noch düsterer aus als zuvor: China war immer weiter entfernt von einer konstitutionellen Demokratie. Sie beklagten, dass die Chinesen sich anscheinend völlig mit dem Status quo zufriedengaben und sich so verhielten, als sei ihr Leben rundum glücklich und vollkommen.
    Auch Chen hatte zu diesen Menschen gehört. Bevor er Xiaoxi wiedergetroffen hatte, war ihm die Gesellschaft absolut harmonisch erschienen, und Tag für Tag hatte ihn sein eigenes Glück in Rührung versetzt.
    Zwar war er geistig wach geblieben, hatte nach wie vor Bücher und Zeitungen gelesen, aber selbst er hatte nur noch Lust verspürt, den Blick in die Zukunft zu richten und die Vergangenheit ruhen zu lassen. Es war noch nicht lange her, da waren ihm Taiwan und Hongkong als Vorreiter erschienen und das chinesische Festland im Vergleich als rückständig. Jetzt empfand er es genau anders herum. Früher hatten alle um ihn herum Chinas Armut und Rückständigkeit kritisiert, doch nun sangen sie nur noch das Loblied von seinem Goldenen Zeitalter. Über viele Jahrzehnte hinweg hatten die Gelehrten einhellig das westliche System als überlegen gepriesen, die USA, Japan und Europa als überragendes Vorbild für die Welt hingestellt. Nun ließ einer nach dem anderen verlauten, es gehe so nicht mehr weiter, die Welt müsse von China lernen.
    Teilweise gründete diese Redeweise auf falschen Vorstellungen und hielt einer genaueren Prüfung nicht stand; so war beispielsweise das Durchschnittseinkommen der Chinesen noch Lichtjahre von dem in den entwickelten Nationen entfernt, die Umweltverschmutzung gravierend, ehrliche und offene Regierungsführung ein Fremdwort, ein Schutz der Menschenrechte nicht gegeben, die Meinungsfreiheit massiv beschnitten. Aber Chinas Bevölkerung war nun einmal groß, seine Stärke insgesamt überwältigend, sein Aufstieg eine unbestreitbare Tatsache. Die Medien berichteten ständig davon, in welchen Bereichen das Reich der Mitte weltweit den ersten Platz belegte und wo man im internationalen Vergleich überall ganz vorne mit dabei war. Ganz unmerklich hatte China in fast allen Bereichen die Führung übernommen – zumindest im Bewusstsein der meisten Chinesen.
    Da die USA, Europa und Japan in der Rezession steckten und damit auch ihre Nachfrage nach chinesischen Gütern langfristig abebbte, hatte China auf seine eigene Art den Inlandskonsum erhöht und die Abhängigkeit vom Export verringert. Damit brachte es die langjährige Kritik der Weltgemeinschaft an seinen Exportüberschüssen zum Schweigen und brauchte sich nicht mehr halbherzig hinter der Parole »Freihandel« zu verstecken. Früher hatten sich die Produzenten weltweit beschwert, China halte den Wechselkurs des Renminbi absichtlich niedrig, um seine Ausfuhren zu subventionieren, und schaffe damit einen ungleichen Wettbewerb; Gewerkschaften und Arbeitsrechtler im Westen kritisierten, dass China seine Arbeiter ausbeute, um die Exportkosten zu drücken, und damit weltweit für sinkende

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