Die fetten Jahre
erreichen, als der Inlandsumsatz die Hälfte des BIP ausmachte. Dieses Ziel war bereits erreicht. Ideal wäre das Niveau der USA zu Beginn der siebziger Jahre, meinte He Dongsheng; damals hatte der Inlandskonsum dort ganze sechzig Prozent des BIP betragen. Später hatten die Amerikaner es übertrieben und sich zu abhängig von der Inlandsnachfrage gemacht; ihr Anteil stieg auf über siebzig Prozent, infolgedessen gab es zu wenig Investitionen und Außenhandel, eine Kreditschwemme und dazu eine gegen Null tendierende Sparquote, was letztendlich große Probleme nach sich zog. Für China wäre das amerikanische Niveau der frühen Siebziger gerade richtig. Mit seinen 1,3 Milliarden Menschen verfügte es über einen gigantischen Binnenmarkt und war in der Lage, in vielen Bereichen losgelöst vom Außenhandel zu wirtschaften.
Wenn sich die Weltwirtschaft erst einmal wieder erholte, würde auch der Handel wieder etwas zunehmen, aber bereits jetzt war der Konsum gestiegen und mit ihm auch die Arbeitseinkommen der Bevölkerung. Die Unternehmen machten gute Profite und zahlten dementsprechend mehr Steuern. Man hatte die drohende Rezession abgewendet und die gravierenden Ungleichgewichte in der Wirtschaftsstruktur behoben, die seit der Öffnung des Landes entstanden waren. Das wirtschaftliche Fundament für das Goldene Zeitalter war bereits gelegt.
Man hatte zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, denn die vielen Unternehmensgründungen und -erweiterungen allenthalben lösten auch das Problem der Arbeitslosigkeit in den Städten und auf dem Land.
Die dritte Maßnahme betraf in erster Linie die Bauern. Viele Arbeiter strömten vom Land wieder zurück in die Städte, wo sie aufgrund des Arbeitskräftemangels gut bezahlte Stellen fanden – die verbliebenen Bauern hingegen verwalteten ihr neu gewonnenes Vermögen. Denn die dritte Maßnahme hatte sie zu Eigentümern ihrer Parzellen gemacht, aus Bauern waren Grundbesitzer geworden. Jahrelang hatte man davon gesprochen, jetzt hatte man es endlich verwirklicht. Dahinter steckte jedoch auch die Absicht, die Aufmerksamkeit der Bauern von der Wirtschaftskrise abzulenken. He Dongsheng war sich nicht ganz schlüssig darüber, ob Agrarland in Privatbesitz gehörte, denn Erfahrungen anderer Länder mit der Privatisierung waren nicht durchweg positiv. Seine Parteigenossen ließen sich jedoch nicht von diesem Schritt abbringen.
Etwas wehmütig sagte He Dongsheng: »Die Uhr lässt sich nicht mehr zurückdrehen.«
Maßnahme Nummer vier: Das Land befand sich in einer turbulenten Phase, in der vieles durcheinanderzugehen schien, doch es war ein konstruktives, notwendiges Durcheinander. Das heißt, während die Staatsmacht Produktionskräfte freisetzte und das Volk zur Eigeninitiative anregte, bestand ihre wichtigste Aufgabe zugleich darin, mit aller Härte zu verhindern, dass Wirtschaftskriminalität und Korruption ihre Politik sabotierten. Durch die vorausgehende dreiwöchige Anti-Kriminalitätskampagne wurden im Vorfeld eine Reihe krimineller Elemente – Berufsverbrecher, Schlägertrupps, Menschenhändler, Diebes- und Bettlerbanden – ausradiert. Während die Kampagne noch nachwirkte, sagten die Machthaber in einem weiteren Schritt drei Dingen den Kampf an: Korruption, Spekulation, Betrug und Verbreitung falscher Tatsachen. Allein durch die Ankündigung harter Sanktionen versetzte man die Betroffenen in Todesangst.
Die Partei versteht sich gut aufs Fliegenklatschen – hier und da gnadenlos ein Exempel statuiert und ein paar Leute hingerichtet, schon waren die örtlichen Kader zur Genüge eingeschüchtert, kniffen den Schwanz ein und spurten wieder. Man hatte erreicht, was man wollte.
Fünftens: He Dongsheng war für Marktwirtschaft, hielt sie jedoch nicht für allmächtig und hatte auch kein Vertrauen in eine Laissez-faire-Politik. Für ihn stand außer Frage, dass in manchen Bereichen die staatliche Autorität nicht fehlen dürfe. Die ersten vier Maßnahmen würden eine reale Nachfrage schaffen und darüber die Produktion anstoßen; die umlaufende Geld- und Kreditmenge würde stark wachsen und bei Produkten und Dienstleistungen würde es kurzfristig zu einem Unterangebot kommen. Selbst ohne Opportunisten und Spekulanten würden alleine durch die Anpassung des Marktes Inflationserwartungen entstehen und die Preise würden unregelmäßig in die Höhe schießen. Wenn daraus eine Hyperinflation entstand, sähen sich die Reformen gigantischem Druck ausgesetzt und würden möglicherweise
Weitere Kostenlose Bücher