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Die fetten Jahre

Die fetten Jahre

Titel: Die fetten Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koonchung Chan
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Angehörige dieser Minderheit bekannt, der eine bin ich und der andere ist Zhang Dou, mein kleiner Blutsbruder. Wir glauben, dass es noch mehr von unserer Sorte gibt, und hatten gehofft, Sie seien einer davon.«
    »Wieso glaubst du, ich könnte einer von euch sein?«
    »Weil Sie schlecht gelaunt sind, weil Sie einen schrecklich blassen Teint haben und weil Sie in Ihrer gesamten Erscheinung aufgedunsen wirken wie ein in Wasser getauchtes Stück Brot.«
    »Eure Art zeichnet sich also durch Schlechtgelauntsein aus?«
    »Das ist bloß ein oberflächliches Merkmal. Wie die Beobachtungen der letzten zwei Jahre gezeigt haben, liegt der Schlüssel darin, ob man sich an die Ereignisse jenes einen Monats erinnert oder nicht.«
    Chen dachte an Xiaoxi und Xiaodong. Vorsichtig fragte er: »Fang, nimmst du vielleicht seit Längerem Medikamente ein, zum Beispiel …«
    »Dann sind Sie also wirklich einer von uns!«, stieß Fang Caodi begeistert aus.
    »Immer mit der Ruhe, beantworte erst mal meine Frage«, sagte Chen.
    »Zhang Dou und ich haben beide seit Langem Asthma und inhalieren Kortison.«
    »Aha«, machte Chen, und Fang Caodi fuhr sogleich fort: »So einfach ist es nicht. Bei meinen Untersuchungen musste ich feststellen, dass der allergrößte Teil der Asthmapatienten, die gegen ihr Leiden mit Kortison behandelt werden, keine Art-genossen sind. Bis heute habe ich nur Zhang Dou auftreiben können.«
    Chen dachte laut nach: »Möglicherweise ist es auch bei anderen Medikamenten so …«
    »Was sagen Sie, Herr Chen?«, fragte Fang Caodi.
    Chen fuhr fort mit seiner Schlussfolgerung: »Kortison, Antidepressiva, Betäubungs- oder Schmerzmittel, Drogen – möglicherweise gibt es auch noch weitere Substanzen mit einer vergleichbaren Wirkung; aber es funktioniert lange nicht bei allen, die über einen längeren Zeitraum damit in Kontakt kommen. Die Einnahme von Medikamenten erhöht lediglich die Wahrscheinlichkeit, ›immun‹ zu sein; vielleicht gibt es noch andere Variablen, die man mit einbeziehen muss – so könnten außer den Medikamenten noch andere Faktoren eine Rolle spielen, beispielsweise Essgewohnheiten, Charaktereigenschaften oder persönliches Schicksal der betreffenden Person, und all das zusammen entscheidet darüber, ob jemand so denkt und fühlt wie du oder nicht. Ich kann bei euch ein paar Gemeinsamkeiten sehen. Leute wie du empfinden erstens: die Menschen ringsherum als verändert; zweitens: diese Veränderung besteht darin, dass die Menschen glücklicher sind als früher und auf einer Art Dauerhigh zu schweben scheinen; drittens: ihr erinnert euch an Dinge, die den anderen entfallen zu sein scheinen. Das sind wohl die gemeinsamen Merkmale.«
    Chen dachte daran, dass Xiaodong vieles erinnerte, während Xiaoxi nach eigener Aussage sehr viel vergessen hatte.
    Fang Caodi pflichtete ihm bei: »Blendend analysiert, Herr Chen, wirklich blendend! Es ist tatsächlich so, man erinnert sich an viele Dinge, die die anderen vergessen haben, vor allem an den verschwundenen Monat. Dabei herrscht kollektiver Gedächtnisschwund.«
    »Von welchem Monat redest du da eigentlich immer?«
    »Von dem zwischen dem Ausbruch der weltweiten wirtschaftlichen Eiszeit und dem Beginn des Goldenen Zeitalters in China. Genau genommen waren es achtundzwanzig Tage.«
    Chens Gedanken schweiften einen Moment lang ab. Er musste an den Kriminalroman denken, den er einmal geschrieben hatte, Der dreizehnte Mond. Dann fasste er sich wieder und fragte: »Der Eintritt in die Wirtschaftseiszeit und der Anbruch des Goldenen Zeitalters, das war doch genau zur selben Zeit, oder etwa nicht?«
    Fang Caodi lachte: »Herr Chen, Sie haben wirklich Humor!«
    Chen sagte nichts, er versuchte mit aller Kraft, sich jene Zeit ins Gedächtnis zu rufen, doch seine Erinnerungen waren unscharf und verschwommen. Vielleicht bildete sich Fang das alles bloß ein und es hatte die verschwundenen achtundzwanzig Tage nie gegeben.
    Erst jetzt bemerkte Fang Caodi, dass Chen es nicht als Scherz gemeint hatte: »Sie erinnern sich nicht, nicht wahr, Herr Chen? Ich hatte gerade begonnen zu glauben, sie seien einer von uns …«
    Möglich, dass Fang Caodi und dieser Zhang Dou Geistesverwandte von Xiaoxi und Xiaodong sind, dachte Chen.
    Fang Caodi war die Enttäuschung anzuhören: »Es tut mir leid, Sie belästigt zu haben.«
    »Nein, nein, ich bin zwar keiner von euch, aber hör zu … Lass es mich so ausdrücken: Ihr seid ein paar Außerirdische, die sich auf die Erde verirrt haben, und

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