Die Feuer des Himmels
und das Mädchen eilte mit ihrer Schürze angetan weg, um ihnen zwei der breitrandigen Hüte zu besorgen, von denen Nynaeve behauptete, sie wirkten so schattenspendend und kühl. Natürlich sei so etwas nichts für eine Lady, aber ihr würde es gut stehen.
Als sie in ihr Zimmer zurückkehrte, hatte Elayne die vergoldeten Schatullen zusammen mit dem dunklen, glänzenden Kästchen, in dem der wiedergewonnene Ter'Angreal lag, und den Waschlederbeutel mit dem Siegel auf eine Decke gelegt. Auf dem anderen Bett lagen die dicken Geldbörsen neben Nynaeves Kräutertasche. Elayne faltete die Decke und schnürte das Bündel mit einem kräftigen Strick aus einem ihrer Koffer zu. Nynaeve hatte wirklich alles aufgehoben.
Sie bedauerte, nun doch so vieles zurücklassen zu müssen. Es ging ihr nicht nur darum, daß es teure Sachen gewesen waren. Das war nicht der einzige Grund. Man wußte schließlich nie, wann man etwas gebrauchen konnte. Beispielsweise die beiden Wollkleider, die Elayne auf ihrem Bett ausgebreitet hatte. Sie waren nicht fein genug für eine Lady, jedoch wieder zu gut für eine bloße Zofe. Hätten sie die beiden in Mardecin zurückgelassen, wie Elayne vorgehabt hatte, dann wären sie jetzt in Schwierigkeiten, was die Kleidung betraf.
Kniend durchwühlte Nynaeve einen anderen Koffer. Ein paar Unterhemden und zwei weitere Wollkleider zum Wechseln. Die beiden gußeisernen Bratpfannen in einem Segeltuchbeutel waren ausgezeichnet, aber zu schwer, und die Männer würden bestimmt daran denken, sie durch andere zu ersetzen. Das Nähzeug in dem ordentlichen Kästchen mit schöner Einlegearbeit mußte mit, denn sie würden niemals darauf kommen, auch nur eine Stecknadel zu kaufen. Doch nur mit einem Teil ihres Verstands traf sie diese Auswahl.
»Du hast Thom schon früher gekannt?« fragte sie so ganz nebensächlich. Sie hoffte jedenfalls, daß es so klinge. Dabei beobachtete sie Elayne aus dem Augenwinkel, während sie so tat, als konzentriere sie sich darauf, Strümpfe einzurollen.
Das Mädchen hatte damit begonnen, ihre eigenen Kleider herauszuholen. Sie seufzte, als sie die Seidenkleider beiseitelegte. Bei der Frage erstarrte sie mit den Händen tief in einer der Reisetruhen, sah aber Nynaeve nicht an. »Er war Hofbarde in Caemlyn, als ich noch klein war«, sagte sie ruhig.
»Aha.« Das sagte ihr nicht viel. Wie wurde aus einem Mann, einem Hofbarden, der die Königsfamilie zu unterhalten hatte und nicht weit von einem Adelstitel entfernt war, ein Gaukler, der von Dorf zu Dorf wanderte?
»Er war Mutters Liebhaber, nachdem Vater gestorben war.« Elayne war wieder mit Auswählen beschäftigt und sagte das so selbstverständlich, daß Nynaeve Augen und Mund aufriß.
»Deiner Mutter...«
Die andere blickte sie trotzdem noch immer nicht an. »Ich habe mich bis Tanchico nicht mehr an ihn erinnert. Ich war noch sehr klein. Es war sein Schnurrbart, als ich nahe genug vor ihm stand und zu seinem Gesicht aufblickte, während er Stücke aus der Großen Jagd nach dem Horn rezitierte. Er glaubte, ich hätte es wieder vergessen.« Ihr Gesicht lief ein wenig rot an. »Ich... trank zuviel Wein, und am nächsten Tag gab ich vor, ich könne mich an nichts mehr erinnern.«
Nynaeve konnte nur noch den Kopf schütteln. Sie erinnerte sich an den Abend, als dieses törichte Mädchen sich mit Wein hatte vollaufen lassen. Wenigstens hatte sie es dann nie wieder getan; der Zustand ihres Kopfes am nächsten Tag hatte sie wohl unwiderruflich davon geheilt. Nun war ihr klar, wieso sich das Mädchen Thom gegenüber so verhielt. Sie hatte zu Hause an den Zwei Flüssen ein paarmal Ähnliches beobachtet. Ein Mädchen, das gerade alt genug war, um sich selbst als Frau zu fühlen. An wem sonst konnte sie sich messen als an ihrer Mutter? Mit wem sonst konnte sie in Wettbewerb treten, um zu beweisen, daß sie eine Frau war? Gewöhnlich führte das höchstens dazu, daß sie versuchte, alles besser zu machen, vom Kochen bis zum Nähen, oder daß sie auf harmlose Art mit ihrem Vater flirtete, aber im Falle einer Witwe hatte Nynaeve zusehen müssen, wie sich die beinahe erwachsene Tochter zum Narren machte, als sie versuchte; sich den Mann zu angeln, den ihre Mutter heiraten wollte. Das Problem war, daß Nynaeve keine Ahnung hatte, was sie gegen Elaynes Torheit unternehmen solle. Trotz ernsthafter Mahnungen und noch mehr aus dem Frauenzirkel, hatte sich Sari Ayellin nicht beruhigt, bis schließlich ihre Mutter wieder verheiratet war und sie selbst
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