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Die Feuer des Himmels

Die Feuer des Himmels

Titel: Die Feuer des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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sie war eben eine Braune gewesen, und die Braunen konnten sich für alles begeistern, was ihnen eine Gelegenheit verschaffte, irgendein verschimmeltes Fragment verlorenen Wissens auszugraben. Jeaine Caides Gesicht wandelte sich langsam zu einer Maske unverhohlenen Schreckens. Zuerst schüttelte sie den Kopf und versuchte, sich und dieses widerlich durchscheinende Kleid mit den Händen zu verdecken, doch dann verhärtete sich Moghediens Miene, und Jeaine nickte hastig und floh, nicht ganz so von Eifer erfüllt wie Marillin, aber genauso schnell. Berylla Naron, so mager, daß sie fast schwindsüchtig wirkte, aber eine der klügsten Intrigantinnen, die es gab, und Falion Bhoda mit ihrem langen und trotz ihrer offensichtlichen Furcht kalt wirkenden Gesicht zeigten genausowenig Ausdruck wie Rianna zuvor. Ispan Shefar, die wohl dunkelhaarig war, aber genau wie Liandrin aus Tarabon kam, küßte sogar Moghediens Rocksaum, bevor sie sich wieder erhob.
    Dann wurden die Stränge um Liandrin gelöst. Sie dachte sich, jetzt sei sie an der Reihe, mit einem der Schatten wußte wie auch immer gearteten Auftrag losgeschickt zu werden. Doch dann sah sie, daß auch die Bande um die anderen verbliebenen Frauen gleichzeitig gelöst wurden. Moghediens Finger winkte herrisch, und Liandrin kniete zwischen Asne und Chesmal Emry, einer hochgewachsenen, gutaussehenden Frau mit dunklem Haar und dunklen Augen nieder. Chesmal, die ehemalige Gelbe, konnte mit gleicher Leichtigkeit heilen wie töten, doch so eindringlich und konzentriert, wie sie nun Moghedien anblickte, und so, wie sie die Hände in ihren Rock verkrampfte, wußte Liandrin, daß sie jetzt nur noch an Gehorsam dachte.
    Sie würde sehr genau beobachten und sich an solche Beobachtungen auch halten müssen, überlegte Liandrin. Falls sie einer der anderen sagte, sie glaube, eine Belohnung erhalten zu können, wenn sie Moghedien den anderen Verlorenen übergab, konnte sich das möglicherweise katastrophal auswirken, denn vielleicht hatte sich die Angesprochene ja dafür entschieden, daß es in ihrem Interesse läge, Moghediens Schoßhündchen zu werden und wiederum sie zu verraten. Bei dem Gedanken an eine zweite ›Belehrung‹ dieser Art hätte sie beinahe gewimmert.
    »Euch werde ich bei mir behalten«, erklärte die Verlorene nun, »und zwar für die wichtigste Aufgabe überhaupt. Was die anderen zu tun haben, mag ja süße Früchte tragen, aber für mich werdet Ihr die wichtigste Ernte einbringen. Eine ganz persönliche Ernte. Es gibt da eine Frau namens Nynaeve al'Meara.« Liandrins Kopf ruckte hoch, und der Blick aus Moghediens dunklen Augen wurde schärfer. »Wißt Ihr von ihr?«
    »Ich verachte sie«, erwiderte Liandrin der Wahrheit entsprechend. »Sie ist eine schmutzige Wilde, die man niemals zur Burg hätte zulassen dürfen.« Sie verabscheute alle Wilden. Während sie davon träumte, eine Schwarze Ajah zu werden, hatte sie sich ein ganzes Jahr lang bemüht, den Gebrauch der Macht allein zu erlernen, bevor sie zur Burg ging, aber natürlich war sie deshalb auf keinen Fall eine Wilde.
    »Sehr gut. Ihr fünf werdet sie für mich suchen. Ich will sie lebend haben. O ja, ich brauche sie lebendigen Leibs.« Moghediens Lächeln ließ Liandrin schaudern. Ihr Nynaeve und die beiden anderen zu übergeben mochte sich als ausgesprochen vorteilhaft erweisen. »Vorgestern befand sie sich in einem Dorf namens Sienda, etwa sechzig Meilen östlich von hier, zusammen mit einer anderen jungen Frau, an der ich möglicherweise Interesse habe, doch dann sind sie verschwunden. Ihr werdet...«
    Liandrin lauschte hingebungsvoll. Was diese Sache betraf, würde sie eine zuverlässige Jägerin sein. Was die andere betraf, mußte sie sich in Geduld hüllen und abwarten.

KAPITEL
19

    Erinnerungen
    M eine Königin?« Morgase blickte von dem Buch auf ihrem Schoß auf. Sonnenschein fiel schräg durch das Fenster des Gemachs gleich neben ihrem Schlafzimmer. Es war bereits heiß, und nicht einmal eine leichte Brise kam auf. Ihr Gesicht war feucht vom Schweiß. Bald war Mittagszeit, und sie hatte den Raum bisher nicht verlassen. Das sah ihr gar nicht ähnlich; sie erinnerte sich aber nicht mehr, warum sie beschlossen hatte, faul mit einem Buch den ganzen Vormittag über liegenzubleiben. In letzter Zeit hatte sie sich nicht mehr richtig auf das Lesen konzentrieren können. Der goldenen Uhr auf dem Kaminsims nach war schon eine Stunde vergangen, seit sie zum letztenmal umgeblättert hatte. Sie konnte sich auch

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