Die Feuer des Himmels
aufgerissenen Mund verstummen. Ihre Augen wollten ihr aus dem Kopf bersten; ihre Haut wollte in Streifen abreißen. Eine Ewigkeit lang zuckte sie, und als es ebenso plötzlich aufhörte, wie es begonnen hatte, konnte sie nur noch daliegen, zittern und mit offenem Mund weinen.
»Fangt Ihr nun zu begreifen an?« fragte Moghedien gelassen und reichte Temaile die leere Tasse mit einem im Plauderton gesprochenen: »Das war sehr gut. Nächstesmal möchte ich ihn aber etwas stärker.« Temaile sah aus, als werde sie gleich in Ohnmacht fallen. »Ihr seid nicht schnell genug, Liandrin, Ihr seid nicht stark genug, und Ihr wißt nicht genug. Dieser armselige Angriff, mit dem Ihr mich überraschen wolltet. Möchtet Ihr sehen, wie das wirklich ist?« Sie wob die Macht.
Liandrin blickte bewundernd zu ihr auf. Sie kroch über den Fußboden und stammelte zwischen den Schluchzern, die sie nicht unterdrücken konnte: »Vergebt mir, Große Herrin.« Diese prachtvolle Frau war wie ein Stern am Himmel, wie ein Komet, und sie stand noch über allen Königen und Königinnen, so wundervoll war sie. »Bitte vergebt«, bettelte sie und küßte immer wieder den Saum von Moghediens Rock. Dazwischen stammelte sie weiter: »Vergebt mir. Ich bin eine Hündin, ein Wurm.« Sie schämte sich zu Tode, weil sie diese Dinge vorher wohl gesagt, aber nicht ernst gemeint hatte. Dabei stimmte das alles. Vor dieser Frau entsprach alles der Wahrheit. »Laßt mich Euch dienen, Große Herrin. Gestattet mir, Euch zu dienen. Bitte. Bitte.«
»Ich bin nicht Graendal«, sagte Moghedien und stieß sie mit einem Fuß im Samtpantoffel grob zur Seite.
Mit einemmal war diese Verehrung wie weggeblasen. Liandrin lag weinend wie ein Häufchen Unglück am Boden und erinnerte sich deutlich daran, wie sie diese Frau hündisch verehrt hatte. Sie starrte die Verlorene angsterfüllt an.
»Seid Ihr jetzt überzeugt, Liandrin?«
»Ja, Große Herrin«, brachte sie heraus. Sie war überzeugt. Überzeugt davon, nicht mehr an einen Angriff denken zu dürfen, bis ihr der Erfolg sicher war. Ihr Trick war nur ein schwacher Abklatsch dessen, was Moghedien fertiggebracht hatte. Wenn sie das nur erlernen könnte...
»Wir werden ja sehen. Ich glaube, Ihr gehört zu denen, die eine solche Lehre ein zweites Mal benötigen. Betet darum, daß es nicht notwendig wird, Liandrin, denn beim zweiten Mal reagiere ich mit größter Härte. Nehmt jetzt Euren Platz bei den anderen ein. Ihr werdet sehen, daß ich einige der mit der Macht behafteten Gegenstände aus Eurem Zimmer entfernt habe; die restlichen Spielzeuge könnt Ihr behalten. Bin ich nicht gut zu Euch?«
»Die Große Herrin ist so gut zu uns«, pflichtete ihr Liandrin abgehackt und unter gelegentlichem Schluchzen bei, das sie noch immer nicht unterdrücken konnte.
Erschöpft und schlaff taumelte sie hoch und ging hinüber, wo sie sich neben Asne stellte. Die Wandtäfelung an ihrem Rücken half ihr, aufrecht stehen zu bleiben. Sie sah, wie Stränge aus Luft verwoben wurden, nur aus Luft, doch sie zuckte zusammen, als sie ihren Mund verschlossen und jeden Laut von ihren Ohren fernhielten. Ganz sicher versuchte sie nicht, sich dem entgegenzustemmen. Sie ließ noch nicht einmal einen Gedanken an Saidar bei sich aufkommen. Wer wußte schon, was eine der Verlorenen alles vollbringen konnte? Vielleicht sogar ihre Gedanken lesen? Dieser Gedankengang ließ sie beinahe flüchten. Aber nein. Wenn Moghedien ihre Gedanken kannte, dann wäre sie jetzt schon tot. Oder läge noch immer schreiend auf dem Boden. Oder küßte Moghediens Füße und bettelte darum, dienen zu dürfen. Liandrin zitterte unwillkürlich wieder. Hätte das Luftgewebe ihren Mund nicht geknebelt, dann hätten jetzt ihre Zähne geklappert.
Moghedien webte die gleichen Fesseln um sie alle bis auf Rianna. Die holte sie mit einem Wink ihres Fingers zu sich heran und ließ sie vor sich niederknien. Nach kurzer Zeit stand Rianna wieder auf und ging. Nun wurde Marillin Gemalphin von ihren Knebeln erlöst und herangerufen.
Von ihrem Standpunkt aus konnte Liandrin ihre Gesichter sehen, auch wenn sich ihre Münder für sie völlig lautlos bewegten. Eindeutig empfing jede Frau nun Befehle, von denen die anderen nichts wissen sollten. Den Gesichtern war aber kaum etwas abzulesen. Rianna lauschte lediglich mit einer Andeutung von Erleichterung im Blick. Dann neigte sie den Kopf in schweigender Zustimmung und verließ den Raum. Marillin blickte erst überrascht und dann eifrig drein, aber
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