Die Feuer des Himmels
können, die junge Frau zu heilen. Und sie hatte auch keinen Alarm gegeben, wie es die Aufgenommene bereits hätte tun sollen, sonst stünde sie jetzt nicht allein hier. »Ihr seid eine Schwarze Ajah«, flüsterte er.
»Eine gefährliche Anschuldigung«, sagte sie gelassen. Es war allerdings nicht klar, für wen sie gefährlich sei. »Siuan Sanche versuchte, zu behaupten, es gäbe die Schwarzen Ajah wirklich, als sie unter Folter befragt wurde. Sie bettelte förmlich darum, uns von ihnen berichten zu dürfen. Elaida wollte nicht darauf hören und wird es auch weiterhin nicht. Geschichten von angeblichen Schwarzen Ajah sind lediglich bösartige Verleumdungen, die gegen die Burg gerichtet sind.«
»Ihr seid eine Schwarze Ajah«, sagte er mit erhobener Stimme.
»Ihr wolltet das hier stehlen?« Es klang, als habe er überhaupt nichts gesagt. »Der Rubin ist es nicht wert, Fain. Oder wie Ihr auch wirklich heißen mögt. Diese Klinge ist vergiftet, und nur ein Narr würde sie mit etwas anderem als einer Zange berühren oder sich ihr länger als notwendig nähern. Ihr seht ja, was sie Verine angetan hat. Also, warum seid ihr hergekommen und habt geradewegs das ergriffen, von dem Ihr nicht einmal hättet wissen sollen, daß es sich hier befindet? Ihr könnt nicht genug Zeit gehabt haben, um alles zu durchsuchen.«
»Ich könnte Elaida für Euch beseitigen. Eine Berührung damit, und selbst die Macht kann sie nicht mehr retten.« Er versuchte, mit dem Dolch zu gestikulieren, aber er konnte ihn nicht um Haaresbreite bewegen. Hätte er damit zustoßen können, wäre Alviarin mittlerweile nicht mehr am Leben. »Ihr könntet die Erste in der Burg sein und nicht nur die Zweite.«
Sie lachte ihn aus. Es klang wie kühle, verächtlich bimmelnde Glöckchen. »Glaubt Ihr, ich könnte nicht die Erste werden, wenn ich es wollte? Der Rang der Zweiten ist mir gerade recht. Laßt doch Elaida behaupten, ihr gebühre die Ehre für das, was sie Erfolge nennt, und laßt sie auch ihrer Fehler wegen ins Schwitzen kommen. Ich weiß, wo die wahre Macht liegt. Nun beantwortet mir meine Fragen, sonst findet man morgen hier zwei Leichen anstatt nur einer.«
Es würde in jedem Fall zwei geben, ob er nun mit brauchbaren Lügen antwortete oder nicht, denn sie hatte nicht vor, ihn am Leben zu lassen. »Ich habe Thakan'dar gesehen.« Das zu gestehen tat weh, denn die Erinnerungen, die es mit sich brachte, waren solche purer Agonie. Er vermied es, zu wimmern, zwang statt dessen die Worte heraus: »Das große Nebelmeer, das lautlos gegen die schwarzen Klippen anrollt und hochbrandet, die Feuer der Schmieden, die darunter rot glühen, und die Blitze, die aus einem Himmel herabstoßen, der einen Menschen zum Wahnsinn treiben kann.« Er wollte nicht weitersprechen, zwang sich aber dazu. »Ich habe den Weg hinunter zum Bauch des Shayol Ghul genommen, den langen Weg, auf dem steinerne Fänge von oben her meinen Kopf berührten, bis zum Ufer eines Sees aus Flammen und zerschmolzenem Fels...« - Nein, nicht noch einmal! -, »in dessen endlosen Tiefen der Große Herr der Dunkelheit gefangen ist. Der Himmel über Shayol Ghul ist schon zur Mittagszeit schwarz von seinem Atem.«
Alviarin stand jetzt hoch aufgerichtet da und hatte die Augen aufgerissen. Nicht vor Angst, aber doch beeindruckt. »Ich habe gehört...«, begann sie leise, schüttelte sich aber dann und blickte ihn durchdringend an. »Wer seid Ihr? Warum seid Ihr hier? Hat Euch einer der Ver... der Auserwählten gesandt? Warum wurde ich nicht informiert?«
Er warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Dürfen Euresgleichen die Aufgaben kennen, die mir und meinesgleichen auferlegt werden?« Sein Dialekt aus Lugard war wieder deutlich zu hören; in gewisser Weise war es ja auch seine Heimatstadt. »Vertrauen Euch die Auserwählten etwa alles an?« Etwas in ihm schien ihm zuzurufen, das sei nicht die richtige Art und Weise, aber er haßte die Aes Sedai, und dieses Etwas in ihm haßte sie ebenso. »Seid vorsichtig, hübsche kleine Aes Sedai, oder sie übergeben Euch einem Myrddraal als Spielzeug.«
Ihr Blick traf seine Augen wie ein Eiszapfen. »Wir werden ja sehen, Meister Fain. Ich werde dieses Durcheinander beseitigen, das Ihr angerichtet habt, und dann werden wir feststellen, wer von uns bei den Auserwählten der Angesehenere ist.« Sie beäugte kurz den Dolch und schob sich rückwärts durch die Tür. Die Luft, die ihn fest einschloß, löste ihre Klammer um ihn erst, als sie bereits eine volle
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