Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Feuer des Himmels

Die Feuer des Himmels

Titel: Die Feuer des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
Vom Netzwerk:
suchte, drehte. Mit einem leisen Klicken schnappte der Riegel zurück. Einen Augenblick lang lehnte er sich mit heiserem Auflachen an die Tür. Von einem kräftigen Schloß behütet. Von der Macht der Aes Sedai umgeben und durch einfaches Metall geschützt. Zu dieser Stunde sollten selbst die Diener und die Novizinnen ihre Arbeit beendet haben, aber es könnte immer noch jemand wach sein und vielleicht vorbeikommen. Gelegentliche Wellen von Heiterkeit durchbebten ihn, als er die Dietriche in seine Tasche zurücksteckte und eine dicke Bienenwachskerze herausholte. Den Docht entzündete er an einer Ständerlampe in der Nähe.
    Er hielt die Kerze hoch und schloß die Tür hinter sich. Nun konnte er sich umsehen. An den Wänden standen Regale, auf deren Brettern einfache Schachteln wie auch kunstvoll eingelegte Kästen aller möglichen Formen und Größen lagen, kleine Figuren aus Knochen oder Elfenbein oder einem dunkleren Material, und dazu Gegenstände aus Metall und Glas und Kristall, die im Kerzenschein funkelten und glitzerten. Nichts, was irgendwie gefährlich wirkte. Alles war mit Staub bedeckt. Selbst die Aes Sedai kamen nur selten hierher und anderen gestatteten sie das Betreten dieses Raums sowieso nicht. Das, was er suchte, zog ihn magisch an.
    Auf einem in Hüfthöhe angebrachten Brett stand ein dunkler Metallkasten. Er öffnete ihn und enthüllte so drei Finger breite Bleiwände, die im Innern gerade noch Platz ließen für einen gekrümmten Dolch in einer goldenen Scheide, in dessen Heft ein großer Rubin eingesetzt war. Weder das Gold noch der blutrot schimmernde Rubin interessierten ihn. Hastig goß er ein wenig Wachs neben den Kasten und setzte die Kerze darauf, damit sie nicht umkippte, und dann hob er den Dolch heraus.
    Er seufzte, als er ihn berührte, und streckte sich genießerisch. Er war wieder vollständig, eins mit dem, was ihn vor so langer Zeit an sich gebunden hatte, eins mit dem, was ihm auf ganz reale Art und Weise Leben verliehen hatte.
    Eisenscharniere knarrten schwach, und er huschte zur Tür, wobei er die gekrümmte Klinge entblößte. Die blasse junge Frau, die gerade die Tür öffnete, hatte gerade noch Zeit, Augen und Mund aufzureißen und zu versuchen, sich durch einen Sprung nach hinten in Sicherheit zu bringen, doch schon schnitt er sie in die Wange. Aus der gleichen Bewegung heraus ließ er die Scheide fallen und packte ihren Arm, damit er sie an sich vorbei in den Lagerraum zerren konnte. Er steckte noch einmal den Kopf hinaus und spähte den Gang hinauf und hinunter. Er war leer.
    Er nahm sich Zeit damit, seinen Kopf zurückzuziehen und die Tür wieder zu schließen. Er wußte, was er vorfinden würde. Die junge Frau lag sich windend auf dem Steinboden, bemühte sich, zu schreien, und brachte doch nichts heraus. Ihre Hände krallten nach einem Gesicht, das bereits schwarz und bis zur Unkenntlichkeit angeschwollen war. Die dunkle Schwellung verbreitete sich wie zäh herunterfließendes Öl bis zu ihren Schultern. Ihr schneeweißer Rock mit den Farbstreifen am Saum wurde von ihren hin und her zuckenden Beinen zerfetzt. Er leckte einen Blutspritzer von seinem Handrücken und kicherte, während er die Scheide wieder aufhob.
    »Ihr seid ein Narr.«
    Er wirbelte mit dem Dolch in der Hand herum, doch die Luft in seiner unmittelbaren Umgebung verfestigte sich urplötzlich und schloß ihn vom Hals bis an die Sohlen seiner Stiefel wie eine harte Schale ein. Da hing er nun. Die Füße berührten den Boden nur noch mit den Ballen, der Dolch war ausgestreckt, zum Zustechen bereit, und er starrte Alviarin an, die die Tür schloß und sich dagegen lehnte, um ihn zu mustern. Diesmal hatte sie nicht geknarrt.
    Das leise Scharren der Pantoffeln an den Füßen des sterbenden Mädchens auf dem Fußboden konnte ihre Geräusche nicht überdeckt haben. Er blinzelte, als plötzlich Schweiß in seinen Augen brannte.
    »Habt Ihr wirklich geglaubt«, fuhr die Aes Sedai fort, »dieser Raum bliebe unbewacht, ohne eine einzige Wächterin? Das Schloß wurde durch ein Machtgewebe gesichert. Diese törichte junge Frau war heute abend an der Reihe, das Gewebe zu überwachen. Hätte sie genau das getan, was man von ihr erwartete, dann stünden jetzt ein Dutzend Behüter und genauso viele Aes Sedai vor dieser Tür. Sie zahlt den Preis für ihre Dummheit.«
    Die Geräusche hinter ihm verstummten und er kniff die Augen zusammen. Alviarin war wohl keine Gelbe Ajah, doch sie hätte wenigstens einen Versuch machen

Weitere Kostenlose Bücher