Die Feuer des Himmels
lange nicht mehr der Dorfjunge von einst, aber manchmal schlich sich dieser Junge doch in seine Gefühle ein. Die anderen blickten ihn an, und es drängte ihn, diesen Menschen zu erklären, daß er noch nicht auf der Straße zum Wahnsinn sei.
Lange Minuten verstrichen, bis zwei Männer in Hemdsärmeln und eine Frau aus den Felsformationen hervortraten. Alle drei wirkten zerlumpt, schmutzig und liefen barfuß. Sie kamen zögernd näher, die Köpfe nervös gesenkt und mit Blicken, die ängstlich von Reiter zu Reiter huschten, zu den Wagen und zurück, als wären sie bereit, jeden Moment zu fliehen. Eingefallene Wangen und wankende Schritte erzählten von Hunger und Erschöpfung.
»Dem Licht sei Dank«, sagte der eine Mann schließlich. Er war grauhaarig. Keiner der drei war jung. Sein Gesicht wies tiefe Furchen auf. Sein Blick ruhte einen Augenblick lang auf Asmodean mit seinen Spitzenrüschen an Kragen und Manschetten, doch der Anführer dieser Karawane würde bestimmt keinen Maulesel reiten und eine Flagge tragen. Schließlich klammerte sich der Mann ängstlich an Rands Steigbügel. »Dem Licht sei Dank, daß Ihr unversehrt diesem schrecklichen Land entronnen seid, Lord!« Es mochte an Rands blauem Seidenmantel liegen, der auf den Schulterstücken mit Gold bestickt war, oder an der Flagge, oder es handelte sich einfach um Schmeichelei. Der Mann hatte jedenfalls keinen Grund, sie für etwas anderes als Kaufleute zu halten, wenn auch für besonders gut gekleidete. »Diese mordenden Wilden haben sich wieder erhoben. Ein neuer Aielkrieg ist im Gang. Sie waren während der Nacht bereits über die Stadtmauer geklettert, bevor man sie bemerkte, und sie töteten jeden, der die Hand gegen sie erhob, und stahlen alles, was nicht festgemauert war.«
»Während der Nacht?« fragte Mat in scharfem Ton. Mit heruntergezogener Hutkrempe musterte er immer noch die zerstörte Stadt. »Haben Eure Wachen geschlafen? Ihr habt doch wohl Wachen aufgestellt, so nahe bei Euren Feinden? Selbst die Aiel hätten Schwierigkeiten, Euch zu überrumpeln, wenn Ihr gut Wache haltet.« Lan warf ihm einen beifälligen Blick zu.
»Nein, mein Lord.« Der grauhaarige Mann sah wohl Mat mit großen Augen an, seine Antwort galt jedoch Rand. Mats grüner Mantel war gut genug für einen Lord, aber er stand offen und sah aus, als habe Mat darin geschlafen. »Wir... Wir hatten an jedem Tor nur einen Wächter. Es ist schon so lange her, daß jemand einen der Wilden zu Gesicht bekam. Aber diesmal... Was sie nicht stahlen, das verbrannten sie, und uns haben sie hinausgetrieben, um dort zu verhungern. Schmutzige Tiere! Dem Licht sei Dank, daß Ihr gekommen seid, uns zu retten, Lord, oder wir wären hier allesamt gestorben. Ich heiße Tal Nethin. Ich bin - oder war - Sattler. Ein guter, mein Lord. Das hier sind meine Schwester Aril und ihr Mann, Ander Corl. Er fertigt schöne Stiefel an.«
»Sie haben auch Menschen verschleppt, mein Lord«, sagte die Frau mit rauher Stimme. Sie war etwas jünger als ihr Bruder und mochte wohl einst hübsch gewesen sein, doch nackte Angst und Not hatten Furchen in ihr Gesicht gegraben, die, wie Rand vermutete, nie mehr daraus verschwinden würden. Ihr Mann hatte etwas Verlorenes in seinem Blick, als sei ihm nicht ganz klar, wo er sich befand. »Meine Tochter, Lord, und meinen Sohn. Sie haben alle jungen Leute mitgenommen, jeden über sechzehn und manche, die auch schon doppelt so alt waren oder mehr. Sagten, sie seien jetzt Gai... irgend etwas, rissen ihnen auf offener Straße die Kleider vom Leib und trieben sie fort. Mein Lord, könnt Ihr...?« Sie ließ ihre Worte verklingen und schloß die Augen, überwältigt von der Unmöglichkeit dieses Unterfangens, und wankte. Die Chancen, daß sie ihre Kinder je wiedersehen würde, waren gering.
Moiraine war blitzschnell aus dem Sattel und an Arils Seite. Die ausgezehrte Frau keuchte laut auf, als die Hände der Aes Sedai sie berührten. Sie bebte bis an die Zehenspitzen. Ihr staunender Blick stellte Moiraine eine offene Frage, doch die hielt sie nur fest, als wolle sie sie stützen.
Der Ehemann der Frau riß plötzlich Augen und Mund auf, als er Rands vergoldete Gürtelschnalle entdeckte, das Geschenk Aviendhas. »Seine Arme trugen die gleichen Zeichen! Genau wie die. Rundherum gewunden, wie eine Klippschlange.«
Tal blickte unsicher zu Rand auf. »Der Anführer der Wilden, Lord. Er - er hatte Zeichen wie diese an den Armen. Er trug diese eigenartige Kleidung, die sie immer anhaben,
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