Die Feuer des Himmels
Hundert Mann könnten an den engsten Stellen einem ganzen Heer trotzen. Tausend...«
»Also werden wir hier lagern«, entschied Rand, »und Kundschafter vorausschicken, um sicherzugehen, daß der Weg frei ist. Duadhe Mahdi'in?«
»Wassersucher«, stimmte Dhearic erfreut zu. Das war seine Kriegergemeinschaft gewesen, bevor er zum Clanhäuptling erwählt worden war.
Sulin und die anderen Töchter warfen Rand mißbilligende Blicke zu, während der Häuptling der Reyn den Hang hinunterschritt. Die letzten drei Tage über hatte er immer Kundschafter aus anderen Kriegergemeinschaften vorgezogen, weil er bereits befürchtet hatte, was sie hier vorfinden würden, und er hatte das Gefühl, sie wüßten sehr genau, daß er nicht einfach nur den anderen auch ihre Gelegenheit verschaffen wollte. Er bemühte sich, ihre Blicke zu ignorieren. Bei Sulin war das besonders schwierig, denn mit diesen blaßblauen Augen hätte die Frau wohl auch noch Nägel einschlagen können.
»Rhuarc, sorgt bitte dafür, daß man diesen Überlebenden zu essen gibt, sobald man sie findet. Und daß man sie gut behandelt. Wir werden sie mitnehmen.« Sein Blick wanderte zur Stadtmauer hinüber. Einige Aiel benützten bereits ihre gekrümmten Hornbögen, um Raben abzuschießen. Manchmal benützten die Schattenabkömmlinge Raben und andere aasfressende Tiere als Spione, Schattenaugen, wie es die Aiel nannten. Die hier hielten in ihrem gierigen Fressen kaum inne, bis sie von einem Pfeil durchbohrt herunterfielen. Ein kluger Mann ging in bezug auf Raben und Ratten eben kein Risiko ein. »Und sorgt dafür, daß man die Toten bestattet.« Wenigstens in diesem Punkt stimmten Recht und Notwendigkeit überein.
KAPITEL
21
Eine Klinge zum Geschenk
S chnell wurde nun das Lager am Eingang des Jangai-Passes errichtet, doch soweit wie möglich von Taien entfernt. Es zog sich bald über die Vorhügel hinab. Die Zelte standen zwischen den verstreuten Dornbüschen und selbst noch an den Berghängen. Allerdings war nicht viel davon sichtbar, außer den innerhalb des Paßeingangs befindlichen Zelten, denn die Aielzelte paßten sich farblich so gut der steinigen Erde an, daß man sie selbst dann oftmals nicht bemerkte, wenn man wußte, was und wo man suchen mußte. In den Hügeln lagerten die Aiel nach Clans geordnet, aber die auf dem Paß selbst formierten sich nach ihren Kriegergemeinschaften. Es waren vor allem Töchter des Speers, aber auch die Gemeinschaften der Männer hatten ihre Vertreter hier, jeweils etwa fünfzig, die ihre Zelte leicht voneinander abgesetzt über den Ruinen von Taien errichteten. Jedermann verstand, oder glaubte es zumindest, warum die Töchter sich Rands Ehre verpflichtet fühlten, doch alle Gemeinschaften wollten den Car'a'carn beschützen.
Moiraine und natürlich auch Lan gingen hinunter, wo Kaderes Wagen gleich unterhalb der Stadt angehalten hatten, um dafür zu sorgen, daß dieses Wagenlager richtig aufgestellt wurde. Die Aes Sedai nahm den Inhalt dieser Wagen fast genauso wichtig wie Rand. Die Fahrer knurrten und fluchten über den von der Stadt herüber ziehenden Gestank und vermieden jeden Blick zu den Aiel hinüber, die die Leichen von der Mauer abschnitten. Doch nach Monaten in der Wüste schienen sie es beinahe zu genießen, sich trotz der Ruinen in der Nähe der Zivilisation zu befinden, oder was sie als solche betrachteten.
Gai'schain errichteten die Zelte der Weisen Frauen jedenfalls die Bairs, Amys' und Melaines - ebenfalls unterhalb der Stadt direkt auf der verwitterten Fahrspur, die aus dem Hügelgebiet hinauf zum Paß führte. Rand war sicher, sie würden angeben, diesen Punkt ausgewählt zu haben, weil sie von dort aus für ihn genau wie für die unzähligen Dutzend Weiser Frauen unterhalb gut erreichbar waren. Allerdings schien es ihm auch kein Zufall, wenn jeder, der von den Hügeln aus zu ihm kommen wollte, zuerst durch ihr Lager oder um ihr Lager herumgehen mußte. Er war ein wenig überrascht, als er bemerkte, daß Melaine den weißgekleideten Gestalten die notwendigen Anweisungen gab. Erst vor drei Nächten hatte sie Bael geheiratet. Die Zeremonie hatte sie zu dessen Frau und zur Schwesterfrau Dorindhas gemacht, seiner anderen Ehefrau. Dieser Teil war offensichtlich genauso wichtig gewesen wie die eigentliche Hochzeit. Aviendha hatte sich seiner Überraschung wegen ziemlich aufgeregt.
Als Egwene zusammen mit Aviendha auftauchte, die Aielfrau hinter sich auf der grauen Stute und die bauschigen Röcke bis über die
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