Die Feuer des Himmels
Macht zu oft zu gebrauchen.« Die knappen Worte klangen genauso kalt, wie ihre Augen dreinblickten. »Sie sagen, es sei möglich, zuviel der Macht an sich zu ziehen und sich damit selbst zu schaden.« Dann fügte sie mit leicht gerunzelter Stirn hinzu, allerdings mehr an sich selbst gerichtet als an ihn: »Obwohl ich bei weitem noch nicht soviel aufgenommen habe, wie ich beherrschen kann. Da bin ich sicher.«
Er schüttelte den Kopf und duckte sich in das Zelt hinein. Die Frau war einfach keiner Vernunft zugänglich.
Er hatte sich kaum gegen ein Seidenkissen in der Nähe des noch nicht entzündeten Feuers gelehnt, da folgte sie ihm, glücklicherweise ohne die Blutschlange. Doch sie trug ganz vorsichtig etwas mit herein, das in eine dicke, graugestreifte Wolldecke eingewickelt war. »Ihr habt Euch um mich Sorgen gemacht«, sagte sie mit ausdrucksloser Stimme. Auch ihr Gesicht zeigte keinerlei Ausdruck.
»Natürlich nicht«, log er. Törichte Frau. Sie wird sich noch umbringen, weil sie so unvernünftig ist und unvorsichtig, wenn Vorsicht angesagt wäre. »Ich hätte mir um jeden anderen genauso Sorgen gemacht. Ich will nicht, daß irgend jemand von einer Blutschlange gebissen wird.«
Einen Augenblick lang sah sie ihn zweifelnd an, dann nickte sie schnell. »Gut. Solange Ihr nur mich nicht in den Mittelpunkt stellt.« Sie warf ihm das Deckenbündel vor die Füße und hockte sich auf der anderen Seite der Feuergrube nieder. »Ihr wolltet die Gürtelschnalle nicht akzeptieren, um eine Schuld zwischen uns zu begleichen...«
»Aviendha, es gibt keine Schuld zwischen uns.« Er hatte geglaubt, sie habe diese Sache endlich vergessen. Doch sie fuhr fort, als habe er gar nichts gesagt: »... aber dies hier wird sie nun vielleicht endgültig begleichen.«
Seufzend wickelte er die gestreifte Decke auf - vorsichtig, da sie das Bündel viel nervöser in Händen gehalten hatte als zuvor die Schlange, denn die hatte sie lediglich wie ein Stück Stoff behandelt -, schlug die letzte Falte zur Seite und schnappte nach Luft. Drinnen lag ein Schwert. Die Scheide war mit so vielen Rubinen und Mondperlen besetzt, daß man das darunterliegende Gold kaum noch sehen konnte, außer an einer Stelle, wo eine aufgehende Sonne mit vielen Strahlen eingelegt war. In das Elfenbeinheft, lang genug für zwei Hände, hatte man eine weitere goldene aufgehende Sonne eingelegt, und unzählige kleinere verzierten die Querstreben. Das war nie für den Gebrauch geschaffen worden, sondern nur zum Ansehen. Zum Angaffen.
»Das muß doch ein Vermögen ge... Aviendha, wie habt Ihr das bezahlen können?«
»Es war billig«, sagte sie derart trotzig, daß sie genausogut ihre Lüge hätte zugeben können.
»Ein Schwert. Wie seid Ihr nur an ein Schwert gekommen? Wie kann irgendein Aiel überhaupt an ein Schwert kommen? Erzählt mir nicht, daß Kadere dies hier in einem seiner Wagen verborgen hatte.«
»Ich habe es in eine Decke eingewickelt und mitgenommen.« Nun klang sie noch empfindlicher und gereizter als zuvor in bezug auf den Preis. »Sogar Bair hat gesagt, das sei dann schon in Ordnung, solange ich es nicht wirklich berühre.« Sie zuckte nervös die Achseln und rückte immer wieder ihren Schal zurecht. »Es war das Schwert des Baummörders. Lamans Schwert. Man nahm es ihm ab, als Zeichen seines Todes, weil man seinen Kopf nicht mitnehmen konnte, ohne daß er verweste. Seitdem wurde es von einem zum anderen weitergegeben. Junge Männer oder törichte Töchter des Speers wollten den Beweis für seinen Tod besitzen. Nur fiel jedem nach einer Weile auf, was es ja wirklich war, und so verkaufte ein Narr es dem nächsten. Der Preis ist stark gesunken, seit es das erste Mal verkauft wurde. Kein Aiel berührt es; noch nicht einmal, um die Edelsteine herauszubrechen.«
»Also, es ist ja schon sehr schön«, sagte er so taktvoll wie möglich. Nur ein echter Angeber würde etwas derart Protziges tragen. Und dieses Elfenbeinheft würde glitschig werden, wenn die Hand schwitzte oder voller Blut war. »Doch ich kann Euch das nicht...« Er hielt im Sprechen inne, als er gewohnheitsmäßig das Schwert ein Stück aus der Scheide zog, um es genauer zu betrachten und die Schärfe der Klinge zu prüfen. In den glänzenden Stahl war ein Reiher eingraviert, das Zeichen der Schwertmeister. Er hatte einst ein Schwert mit dieser Markierung getragen. Mit einemmal hätte er wetten können, daß dieses Schwert genau dem anderen entsprach und auch der mit einem Raben
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