Die Feuer des Himmels
Luftzug gegangen war, sagte Amys: »Aviendha, schenk uns Tee ein.«
Die junge Aielfrau fuhr überrascht zusammen und öffnete zweimal zögernd den Mund, bevor sie mit schwacher Stimme herausbrachte: »Ich muß ihn erst brühen.« Damit wuselte sie auf allen vieren aus dem Zelt. Der zweite Schwall kalter Luft von draußen ließ weiteren Dampf verschwinden.
Die Weisen Frauen tauschten Blicke, die beinahe genauso überrascht waren wie der Aviendhas zuvor. Und der Egwenes, davon abgesehen, denn Aviendha war sonst überaus pünktlich und ordentlich, was solche Aufgaben betraf, wenn sie auch nicht immer willig wirkte. Irgend etwas mußte ihr sehr zu schaffen machen, um sogar die Zubereitung des Tees zu vergessen. Die Weisen Frauen tranken immer ihren Tee.
»Mehr Dampf, Mädchen«, sagte Melaine.
Das galt, nachdem Aviendha weg war, ihr, wurde Egwene klar. Hastig spritzte sie mehr Wasser auf die Steine, gebrauchte ein wenig der Macht, um diese und den Kessel weiter zu erhitzen, bis sie hörte, wie die Steine knackten und der Kessel selbst Hitze wie ein Ofen ausstrahlte. Die Aiel waren vielleicht daran gewöhnt, einmal im eigenen Saft zu schmoren und dann gleich wieder zu erfrieren, sie aber nicht. Heiße, dichte Wolken quollen auf und füllten das Zelt. Amys nickte zustimmend; sie und Melaine sahen natürlich das Glühen Saidars um Egwene herum, auch wenn sie selbst das nicht erkennen konnte. Melaine fuhr gelassen fort, sich mit ihrer Staera zu schaben.
Sie ließ die Wahre Quelle los, setzte sich wieder und beugte sich zu Bair hinüber, damit sie ihr ins Ohr flüstern konnte: »Hat Aviendha etwas sehr Schlimmes angestellt?« Sie wollte Aviendha lieber nicht selbst fragen und auch den betroffenen Körperteil aus Rücksicht auf die Freundin nicht erwähnen, um sie nicht zu beschämen, nicht einmal hinter ihrem Rücken.
Bair hatte da keine Hemmungen. »Wegen der Striemen?« fragte sie in ganz normaler Lautstärke. »Sie kam zu mir und sagte, sie habe heute zweimal gelogen, erwähnte aber nicht, was und wen sie belogen hatte. Das ist natürlich auch ihre eigene Angelegenheit, solange sie keine Weise Frau anlügt. Doch sie meinte, ihre Ehre verlange danach, einem Toh Geltung zu verschaffen.«
»Sie hat Euch gebeten, sie zu...« Egwene schnappte nach Luft und konnte den Satz nicht beenden.
Bair nickte, als sei das etwas absolut Normales. »Ich habe ihr ein paar Streiche mehr versetzt, weil sie mich damit belästigte. Wenn es um Ji geht, besteht ihre Schuld nicht mir gegenüber. Sehr wahrscheinlich waren ihre sogenannten Lügen wieder einmal etwas, das höchstens eine Far Dareis Mai als solche empfindet. Die Töchter, selbst die ehemaligen, sind manchmal genauso pedantisch wie die Männer.« Amys warf ihr einen strafenden Blick zu, der sogar im dichten Dampf erkennbar war. Wie Aviendha war auch Amys eine Far Dareis Mai gewesen, bevor sie zur Weisen Frau wurde.
Egwene hatte noch nie einen oder eine Aiel kennengelernt, die nicht pedantisch in bezug auf Ji'e'toh gewesen wären, so wie sie es sah. Aber so etwas! Diese Aiel waren ja wirklich verrückt!
Offensichtlich hatte Bair dieses Thema bereits wieder abgehakt. »Es halten sich mehr Verirrte im Dreifachen Land auf, als jemals zuvor, soweit ich mich erinnern kann«, sagte sie in die Runde. So bezeichneten die Aiel die Kesselflicker oder Tuatha'an.
»Sie fliehen vor den Unruhen jenseits der Drachenmauer.« Der Hohn in Melaines Stimme war nicht zu überhören.
»Ich habe gehört«, sagte Amys bedächtig, »daß einige derer, die durch die Trostlosigkeit zum Weglaufen getrieben werden, sich zu den Verirrten begeben haben und darum baten, bei ihnen aufgenommen zu werden.« Dieser Feststellung folgte langes Schweigen. Sie wußten mittlerweile, daß die Tuatha'an von gleicher Abstammung waren wie sie selbst und sich von ihnen abgespaltet hatten, bevor die Aiel über das Rückgrat der Welt in die Wüste gewandert waren. Doch wenn dieses Wissen überhaupt eine Wirkung hinterlassen hatte, dann höchstens eine noch tiefere Abneigung.
»Er bringt Veränderung mit sich«, flüsterte Melaine rauh in den Dampf.
»Ich glaubte, Ihr hättet Euch mit den Veränderungen abgefunden, die er der Welt bringt«, sagte Egwene mit viel Sympathie in der Stimme. Es mußte schon sehr schwer sein, wenn das ganze Leben auf den Kopf gestellt wurde. Sie erwartete beinahe, ihr werde wieder befohlen, den Mund zu halten, doch keine äußerte sich dazu.
»Abgefunden«, sagte Bair schließlich, als drehe
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