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Die Feuer von Córdoba

Die Feuer von Córdoba

Titel: Die Feuer von Córdoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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endlich beschlossen hatte, erst einmal auf die Toilette zu gehen und von dort aus nach einem Fluchtweg zu suchen, war es zu spät. Der junge Mann trat einen Schritt zur Seite und deutete auf eine separat stehende Sitzecke an einem Fenster, von dem aus man einen fantastischen Blick über die Rollbahn hatte.
    Cosimo wandte ihnen den Rücken zu.
    »Cosimo!« Anselmo trat an ihn heran und berührte ihn leicht an der Schulter. Er beugte sich zu ihm hinab. »Sie ist hier.«
    Cosimo blickte Anselmo an, und Anne konnte erkennen, dass er lächelte. Er wirkte erleichtert, so als hätte er nicht wirklich damit gerechnet, dass sie in Madrid erscheinen würde.
    »Ich danke dir, Anselmo«, sagte er mit seiner ruhigen, angenehmen Stimme und legte seinem Diener eine Hand auf den Arm. »Geh, Anselmo. Lass die Señora und mich allein.«
    Anselmo zögerte. »Meinst du nicht, dass ich …«
    »Geh nur«, unterbrach ihn Cosimo. »Kümmere dich um das Flugzeug.«
    Anselmo warf Anne einen prüfenden Blick zu, dann zuckte er mit den Schultern und ging.
    Cosimo erhob sich, um Anne zu begrüßen. Sein maßgeschneiderter schlichter schwarzer Leinenanzug trug die unverwechselbare Handschrift von Kenzo und ließ ihn noch schlanker und aristokratischer wirken, als er ohnehin schon war.
    »Anne!«, sagte er mit einem Lächeln auf dem blassen ausdrucksstarken Gesicht eines kaum vierzigjährigen Mannes, zu dem die dunklen, melancholischen und seltsam alten Augen einen verstörenden Kontrast bildeten. Bereits bei ihrer ersten Begegnung in Florenz waren ihr diese Augen aufgefallen, und ihr fast hypnotischer Blick hatte sie bis in ihre Träume verfolgt. Auch jetzt lief ihr ein Schauer über den Rücken, und wieder einmal musste Anne an Dorian Gray und Graf Dracula denken. »Wie schön, Sie wieder zu sehen.«
    Er legte ihr seine Hände auf die Schultern und küsste sie rechts und links auf die Wange. Diese unerwartete Vertraulichkeit schmeichelte Anne. Es gab bestimmt nicht viele Menschen, die sich rühmen konnten, so herzlich von Cosimo begrüßt worden zu sein. Und sie spürte, wie ihr fester Entschluss, keine weitere Reise in die Vergangenheit anzutreten, zu wanken begann. Sie bekam Angst. Cosimo Mecidea war klug. Er hatte im Laufe seines fünfhundertjährigen Lebens genug Erfahrung mit Menschen sammeln können, um sie zu durchschauen. Und er wusste bestimmt, dass er bei ihr mit dieser freundlichen Vertraulichkeit mehr erreichen würde als mit Drohungen. Aber sie wollte nicht. Und das musste sie ihm sagen. Irgendwie.
    »Nehmen Sie doch Platz«, sagte Cosimo höflich und deutete auf einen der Sessel. Wenn er etwas von ihrer Nervosität gemerkt hatte, so verbarg er es geschickt. »Hatten Sie einen angenehmen Flug?«
    Er wartete, bis Anne sich gesetzt hatte, dann ließ er sich ebenfalls wieder in seinen Sessel sinken und schlug die Beine übereinander.
    »Ja, danke«, antwortete Anne. Sie saß am Rand ihres Sessels und konnte sich nicht erinnern, jemals so nervös gewesen zu sein. Sie kam sich vor wie ein Kaninchen im Angesicht der Schlange.
    Cosimo neigte den Kopf zur Seite und runzelte die Stirn. »Sie sind blass, Anne«, sagte er, und seine Stimme klang ehrlich besorgt. »Ist Ihnen nicht wohl?«
    »Nein, nein, es ist alles in Ordnung«, stotterte Anne und fuhr sich durchs Haar. Gleichzeitig begann sie sich über sich selbst zu ärgern. Herrgott, dass sie sich auch nicht ein bisschen mehr zusammenreißen konnte. Wo war nur ihre Coolness, ihre Professionalität geblieben? »Mir geht es gut.«
    »Wirklich?« Cosimo hob eine Augenbraue. »Nun, ich weiß noch genau, wie anstrengend und verwirrend die Rückkehr von einer derartigen Reise ist«, sagte er mit einer Betonung, dass es klar war, dass er keinesfalls über den Flug von Jerusalem nach Madrid sprach. »Und glauben Sie mir, zu meiner Zeit waren die Unterschiede zwischen den Epochen nicht annähernd so extrem. Sie müssen müde sein.«
    »Nein, wirklich nicht«, stritt Anne ab. Plötzlich hatte sie nur noch den Wunsch, alles so schnell wie möglich hinter sich zu bringen – Cosimo das Pergament auszuhändigen, die Lounge zu verlassen, in das nächste Flugzeug zu steigen und nach Hause zurückzukehren. Nach Hamburg. Sie öffnete ihre Handtasche. »Das Pergament …«
    Doch bevor sie weitersprechen konnte, legte Cosimo ihr seine schlanke Hand auf den Arm und schüttelte sachte den Kopf. Er lächelte immer noch, doch seine Augen waren ernst.
    »Nein, Anne«, sagte er so leise, dass sie ihn kaum

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