Die Feuer von Córdoba
verstehen konnte. »Nicht hier. Zu viele Augen und Ohren.«
Anne hatte Mühe, ihre Überraschung und ihre Enttäuschung zu verbergen. Zwischen ihnen und den anderen Gästen lagen etliche Meter. Niemand konnte ihre Unterhaltung hören. Doch dann fiel ihr ein, dass Cosimo schon auf dem Golfplatz in Hamburg Angst davor gehabt hatte, belauscht zu werden. Er und Anselmo hatten von Richtmikrofonen gesprochen, und sie hatte den Eindruck gewonnen, dass die beiden schon länger verfolgt worden waren. Wenn aber Cosimo hier in der Lounge nicht sprechen wollte, weil er sich nicht sicher fühlte, konnte das nur bedeuten, dass sie sich unnötig Sorgen gemacht hatte. Offenbar gehörten nicht alle Anwesenden hier zu seinen Leuten. Wenn das kein Grund zum Jubeln war.
»Okay«, sagte sie und schloss ihre Handtasche wieder. Ein hysterisches Lachen wollte aus ihrer Kehle aufsteigen. Sie kam sich vor, als würde sie am Rand einer Klippe stehen und in den Abgrund blicken. Was verbarg sich dort unten in der Schwärze? Wahnsinn? Oder gar der Tod? Aber seltsamerweise beruhigte dieser Gedanke ihre Nerven. »Ich dachte nur …«
»Wir werden alles Weitere besprechen, sobald wir im Flugzeug sitzen. Möchten Sie jetzt etwas essen? Nach allem, was Sie durchgemacht haben, müssen Sie hungrig sein. Es ist bereits nach zwei Uhr, und …«
»Flugzeug? Welches Flugzeug?«
»Der Koch bereitet ein exzellentes Omelett zu«, sagte Cosimo, ohne auf Annes Frage einzugehen, und griff nach der Speisekarte, die auf dem niedrigen Tisch lag. »Und das Steak ist auch nicht schlecht. Sie können …«
»Danke«, unterbrach ihn Anne. Ihre Alarmglocken schrillten so laut, dass sie sich wunderte, dass nicht alle Gäste in Panik aus der Lounge rannten und »Feuer!« riefen. »Ich habe bereits im Flugzeug gegessen. Aber von welchem Flugzeug sprechen Sie ? Wohin sollen wir fliegen?«
»Nach Córdoba«, erklärte Cosimo in einem Ton, als wäre er überrascht, dass sie nicht von selbst darauf gekommen war. »Anselmo kümmert sich gerade um die Starterlaubnis.«
Annes Herz setzte für ein paar Schläge aus.
»Córdoba?«, fragte sie schließlich und war sich nicht sicher, ob sie überrascht oder wütend sein sollte. »Warum ausgerechnet Córdoba? Weshalb fliegen wir weiter? Warum können wir das alles nicht ganz einfach hier in Madrid klären?«
»Auch das werde ich Ihnen mitteilen, wenn wir im Flugzeug sitzen«, sagte Cosimo.
»Cosimo, wenn Sie etwa von mir verlangen, dass ich erneut dieses Eli… «
»Sie hören nicht zu, Anne«, unterbrach Cosimo sie scharf. »Ein unter Umständen unverzeihlicher Fehler, gerade in Ihrem Beruf.«
Anne stampfte mit dem Fuß auf. Jetzt hatte sie keine Angst mehr, weder vor Cosimo noch vor seinen Verfolgern, nicht einmal vor dem Elixier und seinen verhängnisvollen Eigenschaften. In diesem Moment war sie nur noch wütend.
»Aber ich will nicht …«
Cosimo beugte sich vor. »Wir besprechen alles, sobald wir im Flugzeug sitzen. Glauben Sie mir, so ist es besser.« Er lehnte sich wieder zurück und fuhr sich durchs Haar. »Möchten Sie etwas trinken?«
Anne schüttelte den Kopf und biss die Zähne zusammen. Der Appetit war ihr gründlich vergangen. Es würde wohl nichts daraus werden, möglichst rasch Cosimo ihren Entschluss mitzuteilen und dann wieder ihrer Wege zu ziehen. Dieser uralte Zeitenbummler mit dem Gesicht eines Vierzigjährigen wollte sie offenbar nicht so schnell aus seinen Klauen entlassen, wie sie gehofft hatte. Er wollte sie zuerst in ein weiteres Flugzeug zerren. Kluger Plan. In mehreren tausend Metern Höhe konnte sie schließlich nicht einfach aussteigen. Ob er geahnt hatte, dass sie nicht mehr bereit war, sich für seine Zwecke benutzen zu lassen?
»Und wann geht es weiter?«
Cosimo sah sie an und runzelte die Stirn.
»Ich muss mich wiederholen«, sagte er und schüttelte gereizt den Kopf. »Sie hören mir offenbar immer noch nicht zu, Anne. Das sollten Sie aber. Wenn Sie diesen Fehler nämlich nicht bald beheben, werden wir noch in große Schwierigkeiten geraten. Nicht nur Anselmo und ich, auch Sie selbst, Anne, auch Sie selbst.«
»Ich habe Ihnen zugehört!«, rief Anne zornig. »Ich bin schließlich weder blöd noch taub. Ich weiß, dass Anselmo sich gerade jetzt in diesem Augenblick um die Starterlaubnis kümmert. Aber ich bin Journalistin und kein Pilot. Ich habe keine Ahnung, wie lange es dauert, bis die Flughafenleitung – oder was weiß ich wer sonst – eine Starterlaubnis erteilt. Stunden?
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