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Die Feuer von Córdoba

Die Feuer von Córdoba

Titel: Die Feuer von Córdoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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beide haben so selten Gelegenheit, ungestört unter vier Augen miteinander zu sprechen. Außerdem sind die Schmerzen in Wahrheit gar nicht so schlimm. Ich wollte nur dein Mitleid erregen.«
    Er lächelte, doch Philipp sah ihn besorgt an.
    »Wirklich?«
    »Du willst mir damit doch nicht etwa zu verstehen geben, dass du mir nicht glaubst?«, fragte Karl V. und hob drohend seinen geschwollenen Zeigefinger. »Hüte deine Zunge, ich bin schließlich dein Kaiser, junger Mann!«
    Jetzt lächelte auch Philipp. »Wie Ihr wünscht, Sire«, sagte er.
    Wehmütig sah Karl V. zu, wie sein Sohn mit geschmeidigen Bewegungen einen zweiten Schemel heranzog und sich darauf niederließ. Allein der Gedanke, dieses Kunststück selbst zu versuchen, ließ den Schmerz in seinen Gelenken aufbrüllen wie einen wütenden Stier.
    »Was ist, mein Sohn?«, fragte Karl V. und sah den vor ihm kauernden Jüngling an. Philipp hatte seine Knie mit den Armen umschlungen, sein Kinn aufgestützt und kaute mit gerunzelter Stirn an seiner Unterlippe. »Was bedrückt dich?«
    Philipp hob den Kopf. Erstaunen malte sich auf seinem jungen Gesicht.
    »Woher wisst Ihr …«
    »Erstens dringst du wohl kaum mitten in der Nacht in mein Gemach ein, um sodann mit mir über das Wetter oder die nächste Jagd zu plaudern. Außerdem sitzt du jetzt genauso vor mir wie früher, wenn du nicht schlafen konntest, weil dich ein Problem beschäftigt hat.« Er lächelte. »Vergiss nicht, ich bin nicht nur dein Kaiser, ich bin vor allem dein Vater.«
    Philipp lächelte zurück, dann wurde er ernst. »Ihr habt Recht. Sire, darf ich Euch eine Frage stellen?«
    »Natürlich.«
    »Wie kann man sicher sein, als Regent die richtige Entscheidung getroffen oder den richtigen Befehl gegeben zu haben?«
    »Fragst du mich als deinen Vater, oder fragst du mich als deinen Kaiser?«
    Philipp runzelte verwirrt die Stirn. »Wohl beides«, erwiderte er nach kurzem Nachdenken. »Wie kann man Sicherheit erlangen? Was muss man tun? Wie seid Ihr selbst sicher, die richtigen Entscheidungen zu treffen?«
    Karl V. holte tief Luft. »Als dein Kaiser kann ich dir sagen , dass Erfahrung hilft, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Man wird älter und kann Situationen infolgedessen besser und richtiger beurteilen. Mit jedem Tag seines Amtes, mit jeder Begebenheit, mit jedem Menschen lernt man dazu. Dabei ist es vor allem wichtig zu verstehen, welche Tragweite die Entscheidungen eines Regenten haben können. So wird man im Laufe der Jahre vorsichtiger und kann viele Fehler vermeiden.«
    Philipp lachte bitter auf. »Also wollt Ihr damit sagen, Sire, dass ich mit dieser Unsicherheit leben muss, bis ich alt und grau geworden bin?«
    »Nein«, entgegnete Karl V. und musste bei dem Gedanken schmunzeln, dass er in den Augen seines Sohnes anscheinend »alt und grau« war. »Du musst nicht so lange warten, denn schließlich stehen selbst einem jungen Regenten Ratgeber zur Seite. Ihre Meinung ist bei jeder Entscheidungsfindung von unschätzbarem Wert. Ein kluger Regent umgibt sich gleich mit mehreren Ratgebern. Dabei bemüht er sich darum, keinen von ihnen geringer als den anderen zu achten, damit unter ihnen Missgunst und Neid keinen fruchtbaren Boden finden . Und wenn der Regent weise ist, so sind unter seinen Ratgebern sowohl Soldaten als auch Priester, Kaufleute, Bauern – und Frauen.«
    Philipps Kopf fuhr herum und er starrte Karl V. mit weit aufgerissenen Augen an.
    »Frauen auch?«, fragte er so ungläubig, als hätte sein Vater davon gesprochen, regelmäßig auf den Ratschlag von Feen, Drachen und Einhörnern zu vertrauen.
    »Natürlich.« Karl V. lächelte. »Frauen sind schließlich Eheweiber und Mütter. Sie kennen nicht nur die Männer besser , als diese sich selbst jemals kennen würden, sie kennen auch die Bedürfnisse der Familien, sie kennen die Sorgen und Nöte des Volkes. Viele Dinge, die einem Mann verborgen bleiben, nehmen sie wahr. Deine Mutter zum Beispiel war mir in all den Jahren unserer Ehe eine wertvolle Stütze. Und ihre Ratschläge waren oft mehr Gold wert als die meines höchsten Generals.«
    Philipp nickte langsam. »Ja, Sire, ich glaube, ich verstehe .«
    Eine Weile starrten sie schweigend ins Feuer.
    »Wenn ich aber nun den Eindruck gewinne, dass ich mich auf meine Ratgeber – oder einen von ihnen – nicht verlassen kann?«
    Etwas in Philipps Stimme ließ Karl aufhorchen. Er riss sich von dem Anblick der Flammen los, die mehr und mehr Isabellas Gesicht zu formen begannen, und

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