Die Feuer von Córdoba
liebevoll eine Hand auf das Knie seines Vaters. »Ich kann so viel von Euch lernen. Es tut gut, Euch in meiner Nähe zu wissen. Und ich hoffe, dass Ihr noch lange in Toledo bleibt.«
Karl V. streckte seine Hand aus, und obwohl es ihm fast Schmerzenstränen in die Augen trieb, strich er seinem Sohn sacht über die dunklen Locken.
»Diesen Wunsch kann ich dir leider nicht erfüllen«, sagte er leise.
Philipps Kopf fuhr erschrocken hoch. »Was heißt das, Sire?«, fragte er entsetzt. »Fahrt Ihr etwa schon wieder fort? Ihr seid doch noch nicht einmal einen Monat hier.«
»Auch mir fällt der Abschied schwer, doch leider muss ich nach Córdoba reisen.«
»Córdoba? Warum? Kann ich Euch nicht begleiten?«
»Nein, Philipp. Zu jeder anderen Zeit gern, aber während du dich hier in Toledo um die Belange des Volkes kümmern musst, ist meine Gegenwart bei einigen Ketzerprozessen erforderlich .« Er machte eine Pause, um sich zu sammeln. Philipp sollte nicht merken, welch tiefen Abscheu er vor dieser Aufgabe empfand. Das Volk ergötzte sich meist an diesem grausamen Schauspiel, zu dem oft Musikanten, Gaukler und Händler aus allen Himmelsrichtungen angereist kamen, als wäre es das Namensfest eines beliebten Heiligen. Ihm hingegen bereitete der Anblick und der Geruch brennender Menschen stets Übelkeit. »Ein Pater Giacomo hat mir einen Brief geschrieben, in dem er mich persönlich dringend um meine Anwesenheit in Córdoba bittet.«
Philipp runzelte missmutig die Stirn. »Pater Giacomo? Wer ist er? Kennt Ihr ihn? Und woher weiß er überhaupt, dass Ihr hier in Toledo seid, Sire?«
Karl V. schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Ahnung. Ich hatte um strickte Geheimhaltung gebeten. Aber vielleicht hat es ihm einer der Adligen in einem Brief mitgeteilt.« Er strich sich über den Bart, so vorsichtig, als würde er mit den Fingern über die scharfe Schneide eines Schwertes fahren. Die Schmerzen in seinen Gelenken schienen gerade einschlafen zu wollen, und er hatte nicht die Absicht, sie wieder zu wecken. »Ich weiß nur, dass dieser Pater Giacomo ein Dominikaner ist und ferner der Inquisitor von Córdoba. Ich bin gewiss der Letzte, der einem Inquisitor eine Bitte abschlagen würde.«
»Aber … aber Sire!«, rief Philipp und hob flehend die Hände. »Das Osterfest steht kurz bevor. Maria hat sich so darauf gefreut, es gemeinsam mit Euch zu feiern. Außerdem werdet Ihr hier weitaus dringender gebraucht als dort. Ich benötige Euren Rat. Ich … Allein Eure Anwesenheit in Toledo vermag die erregten Gemüter zu besänftigen. So mancher Streit unter den Adligen hier wurde in der kurzen Zeit Eures Aufenthalts bereits beigelegt. So versteht doch, Ihr dürft jetzt nicht gehen. Ich bitte Euch von ganzem Herzen, Sire, nicht für mich, sondern für das Volk von Toledo. Bleibt. Wenigstens noch ein paar Wochen, bis sich alle Wogen geglättet haben und ich von Euch lernen konnte, ein wahrhaft guter Regent zu sein.«
Karl V. schüttelte erneut den Kopf.
»Es tut mir Leid, mein Sohn, doch ich muss der Bitte dieses Inquisitors folgen.«
»Aber warum, Sire? Könnt Ihr nicht einfach einen anderen an Eurer Stelle nach Córdoba schicken? Einen der Minister zum Beispiel? Wer könnte Euch das verwehren? Ihr seid der Kaiser! Dieser Pater Giacomo wird auch so mit seinen Ketzern fertig werden.«
Karl V. lächelte. Wie unverbraucht und voller Idealismus die Jugend war. Aber die Jugend war auch naiv. Und Naivität konnte unter Umständen gefährlich werden. Gerade wenn es um Fragen der Inquisition ging.
»Du musst noch sehr viel lernen, mein Sohn«, sagte er ernst. »Vor allem musst du eines wissen: Niemand, nicht einmal der Kaiser sollte sich der heiligen Inquisition oder einem ihrer Diener widersetzen. Niemals.« Er sah Philipp tief in die Augen. »Hast du mich verstanden, mein Sohn?« Der junge Mann nickte. Er war bleich geworden, und seine weit aufgerissenen Augen waren im Schein des Feuers fast schwarz. Offenbar hatte er begriffen, was Karl V. ihm damit sagen wollte, auch wenn er es nicht ausgesprochen hatte. Er hätte es nicht gewagt, nicht einmal seinem eigenen Sohn gegenüber. Die Ohren der Inquisition waren überall, wahrscheinlich sogar hier. »Gut, mein Sohn. So ist es denn beschlossen . Du versiehst hier deine Aufgabe so gewissenhaft und gründlich, wie es von einem Regenten erwartet wird, und ich werde übermorgen abreisen.«
Dunkle Nacht
Es war dunkel im Hafenviertel. Nicht eine Fackel erleuchtete die schmalen Wege, und die
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