Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Feuer von Córdoba

Die Feuer von Córdoba

Titel: Die Feuer von Córdoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
Vom Netzwerk:
zwang sich stattdessen , seinen Sohn anzusehen. Irgendetwas schien den jungen Mann mehr zu bedrücken als die Frage nach der richtigen Entscheidung. Karl V. runzelte die Stirn.
    »Warum plagt dich dieser Gedanke?«, fragte er und dachte an die Situation, die er bei seiner Ankunft in Toledo vorgefunden hatte. Die Adligen der Provinz hatten sich wegen einer ungewöhnlichen Sitzordnung gestritten, die Philipp während eines Hofballs angeordnet hatte. Bei Licht betrachtet war das natürlich eine Kleinigkeit, kaum wert, dass ein erwachsener Mann einen Gedanken daran verschwendete. Doch Karl V. wusste aus eigener Erfahrung, dass gerade solche Kleinigkeiten einem Regenten das Vertrauen seiner Untergebenen entziehen und ihn in die Krise stürzen konnten. Bislang hatte er geglaubt, dass Philipps Ungestüm und seine Unerfahrenheit ihn zu dieser verhängnisvollen Sitzordnung verleitet hatten, aber vielleicht war er nur schlecht beraten worden – möglicherweise sogar mit Absicht. Doch von wem? Die meisten von Philipps Ratgebern hatte Karl V. selbst ausgewählt . Die Hälfte von ihnen kannte er bereits sein ganzes Leben lang. Diese Männer mochten alt und zum Teil in ihren Meinungen verknöchert sein, aber Intrigen, die einen Spross der kaiserlichen Familie ins Unglück stürzen konnten, waren ihnen auf keinen Fall zuzutrauen. Sie waren absolut loyal. Karl V. sah seinen Sohn scharf an. »Hast du etwa einen konkreten Verdacht gegen einen deiner Ratgeber?«
    »Nein, das nicht«, erwiderte Philipp ausweichend. »Aber es könnte doch sein. Irgendwann.«
    »Natürlich, mein Sohn, davor sind wir niemals sicher. Menschen können ihre Meinung ändern, sie können auf die Seite unserer Feinde wechseln – aus Habgier oder weil ein anderer Adliger ihnen mehr Macht verspricht. Sie können uns sogar verraten. Aber einer ist immer bei uns und steht uns bei – Gott im Himmel. Er ist immer treu, und egal, wie finster es um uns herum sein mag, Er ist das Licht, das uns an jedem Tag unseres Lebens leitet. Trage Ihn und Sein Wort stets in deinem Herzen, mein Sohn. Vergiss nie, was Er Gutes in deinem Leben getan hat, und gib diese Güte und Liebe mit all deinem Tun und deiner ganzen Kraft weiter an alle, die dir unterstellt sind, und an jeden, der dir auf deinem Weg begegnet – vom obersten General deiner Streitmacht bis hin zum Burschen, der die Asche aus deinem Kamin kehrt. Dann wird Gott dich beschützen und dir stets den richtigen Weg weisen, bis du eines Tages den Thron übernimmst und an meiner statt die Geschicke dieses Reiches lenkst.«
    Philipp schwieg eine Weile, dann seufzte er, als würde die Last eines Wagenrads auf seinen Schultern liegen.
    »Für Euch scheint es einfach zu sein, diesem Weg zu folgen , Sire. Aber möglicherweise bin ich ein schlechterer Mensch, als Ihr es seid. Und vielleicht ist mein Glaube nicht so groß und unerschütterlich wie der Eure. Ich fürchte, ich bin kein guter Herrscher, Sire. Und niemals, nicht in hundert Jahren, werde ich diese Aufgabe so erfüllen können wie Ihr.«
    Karl V. lächelte. Er erinnerte sich gut an eine ähnliche Unterhaltung , die er selbst geführt hatte, kurz nachdem man ihn zum König von Burgund ernannt hatte. Wie viele Jahre war das jetzt her, und was war seither alles geschehen. Damals hatte er sich einem Minister anvertraut, weil sein Vater bereits gestorben war. Und er dankte Gott dafür, dass er selbst seinem Sohn diese wichtige Frage beantworten konnte. Er machte sich oft Sorgen um Philipp, mehr als um seine anderen Kinder. Der Junge war ungestüm und schien oft den nötigen Ernst vermissen zu lassen. Doch in diesem Augenblick erkannte Karl V. sich selbst in seinem Sohn wieder. Liebevoll legte er ihm eine Hand auf die Schulter.
    »Jetzt, Philipp, spreche ich nicht mehr als dein Kaiser, sondern als dein Vater zu dir. Hab Geduld, mein Sohn. Du bist gerade siebzehn Jahre alt. Seit nicht einmal einem Jahr unterstehen die spanischen Gebiete deiner Regentschaft. Kein Mann mit Verstand wird von dir erwarten, dass du bereits jetzt die Weisheit und die Erfahrung eines reifen Mannes besitzt . Hab Vertrauen in deine Fähigkeiten und deine Erziehung . Und verlier nicht den Glauben an Gott. Denk immer daran, auch das Reiten musstest du erst lernen. Und wie oft bist du in der ersten Zeit vom Pferd gefallen!«
    Philipp lachte, und zu Karls großer Erleichterung waren die Sorgenfalten aus seinem jungen Gesicht verschwunden.
    »Ich danke Euch, Sire, für Euren Rat«, sagte er und legte

Weitere Kostenlose Bücher