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Die Feuer von Córdoba

Die Feuer von Córdoba

Titel: Die Feuer von Córdoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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erhalten, kleiner war als ein Sandkorn. Er musste sie ergreifen. Nicht für sich, nicht für sein Leben, sondern für das seiner Frau und seiner Kinder. Er war es ihnen schuldig. Wenn er jetzt gehen würde, ohne es wenigstens versucht zu haben, würde er sich den Rest seines Lebens Vorwürfe machen.
    Juan holte tief Luft, dann stieg er die drei ausgetretenen Stufen zum Eingang empor und legte seine Hand auf den Türgriff. Doch bevor er daran ziehen konnte, um sie zu öffnen , wurde die Tür von innen aufgestoßen. Juan taumelte zurück, und ein Schwall einer abscheulich stinkenden trüben Brühe traf ihn mitten auf den Leib. Während die schmutzige Mischung aus Spülwasser, dünner Suppe und Urin langsam an ihm hinabrann und sich die Pfützen zu seinen Füßen vergrößerten , starrte ihn eine Frau wütend an.
    Ihr Alter war unbestimmbar. Sie war groß und mager. Ihr schmutziges braunes Kleid hing lose an ihr hinab. Dünnes, wohl ehemals braunes Haar, das jetzt eher die Farbe von Asche hatte, fiel ihr in langen fettigen Strähnen ins Gesicht. Doch am meisten erschreckten Juan ihre Augen. Es waren große, stark hervorquellende Augen von einem derart hellen Braun, dass sie fast gelb wirkten. Gelb und unheimlich wie die Augen einer Schlange. Diese Augen starrten ihn so zornig an, dass Juan jedes Wort im Hals stecken blieb.
    »Was stehst du da herum und glotzt?«, keifte die Frau ihn mit einer entsetzlich schrillen Stimme an. »Hast wohl noch nie ein Mädchen arbeiten sehen?« Sie lachte zornig auf und ließ scheppernd den Eimer zu Boden fallen. »Feine Herren interessiert es nicht, wer die Kotze und die Pisse hinter ihnen aufwischt, nachdem sie sich sinnlos besoffen haben. Feine Herren werfen ihre Zeche auf den Tisch und kriechen einfach zurück zu ihren feinen Frauen unter die gestärkten weißen Laken. Soll doch die Schlampe vom Wirt die Drecksarbeit machen.« Sie kam auf ihn zu und schwenkte dabei drohend in der rechten Hand einen Besen, der aussah, als würde er höchstens noch zum Stallmisten taugen. »Aber ich werde dir zeigen, was ich von nichtsnutzigen Kerlen wie dir halte!«
    Juan schluckte und wich unwillkürlich einen Schritt zurück .
    »Ich … ich …«, stammelte er, doch weiter kam er nicht.
    »Ich weiß es!«, schrie sie und schüttelte ihre magere Faust dicht vor seinem Gesicht. »Komm herein oder pack dich, aber steh nicht da herum und glotz mich an!«
    Obwohl eine Stimme in seinem Inneren ihm sagte, dass eigentlich er das Recht gehabt hätte, sich über den unfreundlichen nassen Empfang und seine verschmutzte Kleidung zu beschweren, brachte er keinen Laut heraus. Er bekam es mit der Angst zu tun. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn die Frau im nächsten Augenblick den Besen zwischen ihre Knie geklemmt hätte und einfach davongeritten wäre. Dieses Weib war eine Furie.
    Er wich noch weiter zurück. Sein Herz klopfte rasend schnell, und er hatte keinen größeren Wunsch, als sich schleunigst aus dem Staub zu machen, mochte die Nacht in den Gassen des Hafenviertels noch so dunkel und unheimlich sein. Aber letztlich hielt ihn sein Gewissen vor der Tür des Durstigen Mönchs fest. Er wollte, nein, er musste mit diesem Mann namens Bartolomé reden, wenn es ihn denn überhaupt gab. Vielleicht war das Ganze auch eine Falle. Vielleicht hatte die verschleierte Frau in der Kirche ihn hierher gelockt, und er war jetzt mitten in einen Hexensabbat geraten.
    »Bitte, ich möchte …«
    »Was hast du gesagt?« Die schrille Stimme der Frau drang ihm durch Mark und Bein. »Komm mir nicht dumm, oder ich verpasse dir eine Tracht Prügel, dass du mit einem Furz zur Hölle fährst und …!«
    Ihr Gekeife ging in ein ohrenbetäubendes Kreischen über, und sie fuhr herum. Ein Mann, groß und breit wie ein Riese aus einem Märchen, war hinter ihr aufgetaucht und hatte ihr einen Faustschlag auf den Kopf versetzt.
    »Was stehst du hier herum, du faule Schlampe!«, brüllte er so laut, dass es Juan in den Ohren dröhnte, als würde er während des Sonntagsläutens im Glockenstuhl stehen. Unwillkürlich duckte er sich. »Hier warten durstige Gäste auf Bedienung und in der Küche die schmutzigen Teller auf den Abwasch!«
    »Beweg doch selber deinen faulen Arsch, du fetter Nichts-nutz!«, keifte die Frau und begann mit dem schmutzigen Besen auf den Mann einzuschlagen. »Du bist doch versoffener als alle deine Gäste zusammen! Du …«
    »Halt dein Maul, du dreckiges Luder!« Der Mann gab ihr eine Ohrfeige, deren Wucht sie fast

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