Die Feuer von Córdoba
Welch ein Mangel an Kultur und Anstand. In welches Tollhaus war er hier nur hineingeraten? Aber er hatte es gewusst. Gleich als er den Brief des Inquisitors erhalten hatte, hatte er gewusst, dass dieses Schreiben ihm bloß Ärger und Verdruss bringen würde. Hätte er nur den Mut besessen, das Schriftstück ungelesen ins Feuer zu werfen.
Schatten an der Wand
Karl V. stand am Fenster des Audienzsaals und blickte in den Hof hinab. Der kleine ringsum von den zum Bischofspalast gehörenden Gebäuden umgebene Garten war wirklich hübsch angelegt. Schmale Wege aus hellem Kies führten hindurch. In der Mitte des Gartens befand sich ein Brunnen. Fröhlich plätscherte das Wasser in das Becken, in dem goldfarbene Fische schwammen. Reife faustgroße Früchte leuchteten an den Zweigen der Orangenbäume, und der Duft ihrer Blüten war so stark, dass Karl V. ihn sogar durch das geschlossene Fenster hindurch wahrnehmen konnte. Obwohl es noch früh im Jahr war, gediehen die Pflanzen in den Beeten prächtig, und in einer von der Sonne beschienenen windgeschützten Ecke neben einer Bank aus rosafarbenem Marmor begann eine Rose sogar schon erste Knospen zu treiben.
Karl V. schüttelte den Kopf, wandte sich um und betrachtete nachdenklich den Saal. Große goldene Lüster hingen von der mit aufwändigen Schnitzereien aus edlen Hölzern verzierten Decke herab. Wertvolle Teppiche und Gemälde mit biblischen Szenen schmückten die Wände, und ein roter Teppich führte von der Tür direkt zu dem erhöht stehenden, reich mit Purpur und Gold verzierten Bischofsthron.
Um sich die Zeit bis zur Ankunft des Inquisitors ein wenig zu vertreiben, begann er durch den Saal zu schlendern. Eigentlich hatte ihm der Bischof abgeraten, diesen Raum für das Treffen zu wählen. Er hatte ihm sogar sein eigenes Arbeitszimmer angeboten, ja, es ihm förmlich aufgedrängt und ihm angepriesen, als wäre es das letzte Stück des Garten Edens auf Erden. Aber Karl V. war es nicht ratsam erschienen , dieses Angebot anzunehmen. Stattdessen hatte er darauf bestanden, den Inquisitor im Audienzsaal zu empfangen. Der Saal war groß und trotz seines mannigfaltigen Zierrats an Decke und Wänden übersichtlich. Hier konnte sich kein Spion hinter einem Regal oder Vorhang verstecken. Der glatte Boden aus schwarzem und rosafarbenem Marmor bot keine Gelegenheit, eine Falltür zu verbergen. Und selbst wenn sich irgendwo hinter den Bildern und Wandbehängen Lauscher versteckten, so reichte es aus, die Unterhaltung mit leisen Stimmen zu führen, und niemand würde auch nur ein Wort davon verstehen können. Das Arbeitszimmer des Bischofs hingegen war voller Regale, zierlicher Säulen, Schnitzereien und Gemälde, hinter denen sich Kammern oder andere geheime Einrichtungen befinden konnten, über die es dem Bischof sicherlich ohne weiteres gelungen wäre, den Kaiser bei seiner Unterhaltung mit dem Inquisitor zu belauschen. Der einzige Ort hier im Audienzsaal, von dessen Sicherheit Karl V. nicht überzeugt war, war der prunkvolle Thron mit dem purpurnen Vorhang. Wer konnte schon wissen, wer oder was sich hinter dem schweren Stoff verbarg? Doch Karl V. hatte nicht die Absicht, dort Platz zu nehmen. Er war schließlich der Kaiser, und wenn es ihm beliebte, so konnte er den Inquisitor auch stehend in der Mitte des Saals empfangen.
Wahrlich, ein Saal eines Königs würdig, dachte Karl V. und seufzte. Auch die Gemächer, die ihm für die Dauer seines Aufenthalts in Córdoba zugewiesen worden waren, ließen keine Wünsche offen. Sie bestanden aus einem großzügigen Salon, einem Arbeitszimmer und einem Schlafgemach, allesamt mit kostbaren Möbeln und Teppichen und jedem Komfort ausgestattet, den man sich nur vorstellen konnte. Wie Küche und Keller des Bischofs war auch die Einrichtung seines Hauses vortrefflich. Doch Karl V. wäre lieber bescheidener untergebracht gewesen und hätte schlichter gespeist, wenn die Manieren der Diener dafür besser gewesen wären. Diese tölpelhaften Burschen stellten seine Geduld auf eine harte Probe. Auf dem Weg zum Audienzsaal waren sie ihm sogar zweimal auf den Fuß getreten. Am liebsten hätte er sie mit Stockschlägen aus der Stadt prügeln lassen, doch das stand ihm nicht zu. Er war schließlich nur Gast unter dem Dach des Bischofs. Aber als solcher hatte er das unschätzbare Privileg, dieses verrückte Haus wieder verlassen zu können, wann immer es ihm beliebte.
Vielleicht gehe ich noch heute, dachte Karl V. und sah wieder aus dem Fenster.
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