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Die Feuer von Eden

Titel: Die Feuer von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Prozession schon weitergezogen. Wir konnten von der gegenüberliegenden Seite des heidnischen Baus den Fackelschein sehen und den Gesang und die Musik hören.
    Noch ein wenig außer Atem von meinem Lauf über die Lichtung, sagte ich zu Mr. Clemens: »Die klingen mir nicht wie Gespenster.«
    »Vielleicht«, erwiderte der Korrespondent und deutete auf den Gang zwischen den Steinwänden, auf dem wir standen.
    Der Regen hatte den schmalen Pfad in ein Schlammbett verwandelt. Unsere eigenen Fußabdrücke von der Südecke der Wand bis hier waren ebenso deutlich auszumachen wie das schmatzende Geräusch, mit dem Reverend Haymark zu uns gewatet kam. Von der Prozession, die gerade vorbeigezogen war, war keine Spur in der nassen Erde zu erkennen.
    Ich schlug die Hand vors Gesicht. »Können sie einen anderen Weg genommen haben?« Ich wußte die Antwort. Hinter uns lagen die massiven Steinstufen und -wände des heiau selbst. Die Prozession mußte diesen schlammigen Weg entlanggekommen sein, sonst wären die Fackeln nicht zu sehen gewesen.
    »Wir sollten zurück zur Hütte gehen«, sagte Reverend Haymark keuchend. Der Regen rann ihm von Hut und Schultern. »Wir haben keine Laterne, nicht einmal Kerzen.«
    Wie zur Antwort flammten Blitze über den Felsen und Palmen um uns herum auf.
    »Das muß ich mir ansehen«, verkündete Mr. Clemens. Ich bemerkte, daß er den Revolver wieder in seine Rocktasche gesteckt hatte. Der Korrespondent schickte sich an, den Weg hinunterzugehen, und ich folgte ihm. Reverend Haymark murmelte etwas, schloß sich uns jedoch ebenfalls an.
    Als wir schließlich die Nordseite des heiau erreichten, war die Prozession schon im Wald dahinter angelangt. Noch immer hörte man den Ruf »Kapu o moe«, doch nun weiter entfernt. Wir folgten dem Pfad in den Hain. Wedel waren von den Palmwipfeln weit über uns gefallen und bedeckten nun den Boden. Mr. Clemens spähte in die Dunkelheit hoch. »Wie haben sie die abgeschnitten? Und warum?«
    »Die Legende besagt, wenn die Götter marschieren, darf nichts über ihnen hängen«, erklärte der Geistliche. »Aber die Legende besagt auch, daß die Götter bei ihrem Marsch nie von Musik begleitet werden. Nur tote Häuptlinge marschieren zu Musik.«
    Im aufflammenden Gleißen eines Blitzes konnte ich sehen, wie Mr. Clemens eine buschige Augenbraue hochzog. »Reverend, für einen Mann Gottes scheinen Sie recht viel über den Glauben dieser Ungläubigen zu wissen.«
    »Ich hatte das Vergnügen, auf Oahu mit Mr. Hiram Bingham an seinem Kompendium ethnologischer Abhandlungen über die Eingeborenen der Sandwich-Inseln und ihre Sitten und Gebräuche zu arbeiten«, erklärte Reverend Haymark ein wenig steif.
    Mr. Clemens nickte und deutete in die Richtung der entschwindenden Prozession. »Nun, wenn wir uns nicht eilig an ihre Fersen heften, wird dieses spezielle Kompendium der Sitten und Gebräuche für uns nicht mehr zu fassen sein. Ich bin neugierig darauf, was diese Insulaner für so wichtig halten, daß sie im Regen vor die Tür gehen und sich nasse Federn holen.«
    Wir folgten dem Pfad in den Dschungel. Jeder Blitz zeigte unsere Fußabdrücke klar und deutlich im unberührten Schlamm. Der Weg war mit Zweigen und Ästen bedeckt, als hätte eine unsichtbare Macht alles oberhalb der Prozession abgeschnitten, auch wenn die meisten der Bäume gute zwanzig Meter hoch und höher waren.
    Vielleicht eine Viertelmeile nördlich des heiau waren wir alle bereit umzukehren. Das Gewitter war landeinwärts gezogen und hatte keine Lichtquelle zurückgelassen, und ich verwünschte mich stumm, daß ich aus meinen Satteltaschen keine Kerzen gegriffen und mitgenommen hatte. Obgleich wir weit vor uns nun abermals den Fackelschein ausmachen konnten, schienen wir doch nicht aufholen zu können. Die Musik war nicht mehr zu hören. Wenigstens regnete es nicht mehr, so daß nur noch der Dschungel um uns herum tropfte. Ich war bis aufs Korsett durchnäßt.
    Wir hatten auf einer kleinen Lichtung angehalten, um darüber zu beratschlagen, ob wir besser umkehren sollten, als ein letzter, entfernter Blitz den Platz um uns herum beleuchtete. Der Pfad wand sich von dieser Stelle hangabwärts nach Osten, offensichtlich auf einen der wenigen Strände zu, die wir von unserem höhergelegenen Aussichtspunkt auf dem Vulkan gesehen hatten. Durch die letzten Bäume und Büsche, bevor der Pfad eine Felswand hinunterführte, war Fackelschein auszumachen. Außerdem war die kleine Lichtung, auf der wir standen, zu sehen.

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