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Die Feuer von Eden

Titel: Die Feuer von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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unterbrach ihn Trumbo. Er steckte das Funkgerät ein und eilte die Stufen hinunter zum verdeckgeschützten Golfwagen. Der einzelne Scheinwerfer des kleinen Fahrzeugs beleuchtete einen schmalen Streifen Regen und dichter Vegetation, als Trumbo den surrenden Wagen auf dem Asphaltweg wendete und wieder über die Landzunge zurückfuhr. Zehn Meter den Pfad entlang hielt er an, um mit einer dunklen Gestalt zu sprechen, die zusammengekauert unter einem Baum stand. »Michaels?«
    »Ja, Sir.« Der Leibwächter trug eine durchgeweichte Windjacke und eine Baseballmütze, von deren Schirm Wasser tropfte.
    »Wo ist der andere Mann?«
    »Williams ist drüben auf der Nordseite«, erwiderte der Leibwächter. »Wir wechseln uns bei den Patrouillengängen ab.«
    Trumbo nickte. »Frederickson schickt noch einen zusätzlichen Mann rüber. Haben Sie ein Funkgerät?«
    »Klar«, sagte Michaels und berührte den Knopf in seinem Ohr und den kleinen Kasten an seinem Gürtel.
    »Lassen Sie sich eine andere Knarre herbringen«, wies Trumbo ihn an. »Geben Sie mir Ihre.«
    »Eine andere... klar«, erwiderte der Leibwächter. Er griff unter seine Windjacke, holte seine Waffe hervor und reichte sie Trumbo. »Es ist eine Browning, Mr. Trumbo. Neun Millimeter. Die Sicherung ist an...«
    »Ja, ja«, fiel Trumbo ihm ins Wort. »Ich hab selbst so ein Ding. Hängen Sie sich jetzt ans Funkgerät, und sagen Sie Frederickson Bescheid, daß er Ihnen eine andere schicken soll.«
    »Ja, Sir.«
    Trumbo surrte weiter, blickte jedoch auf, als er bemerkte, daß Michaels neben ihm herjoggte. »Was ist denn noch?«
    »Ähm, Mr. Trumbo, Sir... ich habe mich gefragt...«
    »Was?«
    »Nun, Sir... ich habe mich gefragt, ob... ich meine, wenn Sie sie nicht mehr brauchen... ich meine, könnte ich die Automatik dann zurückhaben? Meine erste Frau hat sie mir geschenkt. Sie ist ein... nun, Sie wissen schon... ein Erinnerungsstück.«
    »Meine Güte«, knurrte Trumbo und fuhr in den prasselnden Regen davon.
     
    17. Juni 1866, an der Kona-Küste
    Wir hatten in der verlassenen Hütte nahe des alten heiaus Schutz vor dem Gewitter gefunden, als die Pferde sich plötzlich voller Panik aufbäumten und wieherten. Reverend Haymark sprang erschrocken auf, und Mr. Clemens griff in seine Rocktasche, um den schweren Revolver herauszuholen, den er sich im Volcano House geliehen hatte. Alle drei standen wir in der offenen Tür und spähten in die Dunkelheit und den Regen hinaus.
    Fackeln bewegten sich auf der Steinallee des heiau. Über den Lärm hinweg, den die verschreckten Pferde machten, konnte man das wilde Spiel von Trommeln und Nasenflöten hören. Wie ein Mann traten wir drei hinaus auf die Veranda. Reverend Haymark versuchte, die Pferde zu beruhigen, während Mr. Clemens und ich dastanden und auf die sich bewegenden Lichter inmitten des steinernen Labyrinths starrten.
    »Kapu o moe!« erscholl ein Schrei aus der Richtung der sich bewegenden Fackeln. »Kapu o moe!«
    »Was heißt das?« flüsterte ich.
    »Es ist ein Warnruf, die Augen zu schließen oder sich auf den Boden zu werfen«, flüsterte Reverend Haymark, während er weiter beruhigend die Nüstern der Pferde streichelte. »Ich glaube, er wird nur bei königlichen Prozessionen oder vom Heer der Nacht benutzt.«
    »Das Heer der Nacht?« flüsterte der Korrespondent. Der Revolver ruhte noch immer in seiner Hand. Seine Augen strahlten. »Gespenster?«
    »Die Eingeborenen glauben, daß die früheren Fürsten als Heer von den Toten zurückkehren und dann durch die Nacht marschieren«, erklärte der Reverend und hob die Stimme ein wenig, um zu zeigen, daß ihm dieser Aberglaube keine Angst einflößte. »Manchmal marschieren die Götter selbst.«
    Die Fackeln und die Musik passierten unsere Lichtung direkt hinter der nächstgelegenen Steinmauer. Wind peitschte die Bäume, als würde ein Wirbelsturm aus landwärtiger Richtung blasen, während gleichzeitig das Gewitter vom Meer hereinzog. Trotz Reverend Haymarks Beruhigungsversuchen zerrten die Pferde weiter an ihren Fesseln und zeigten das Weiße ihrer Augen.
    »Kommen Sie«, sagte ich und trat ohne nachzudenken in den Regen hinaus. Mr. Clemens setzte mir mit schnellen Schritten nach. Reverend Haymark rief etwas, aber dann vergewisserte er sich, daß die Pferde gut festgebunden waren, und folgte uns eilig.
    Es waren gut zwanzig Meter bis zum Ende der Wand, die uns vom Eingang und Innenhof des heiau trennte, und als wir dieses Hindernis hinter uns gelassen hatten, war die

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