Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Feuer von Eden

Titel: Die Feuer von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
den träge kreisenden Rotorblättern hindurchzukommen. Der Wind war stark, selbst als sie den Rand des Landeplatzes erreichten und nicht mehr vom Luftwirbel des Rotors erfaßt wurden.
    Mike knipste die roten Kabinenlichter an und verdunkelte dann die Kuppel. Einen Augenblick später wurde das Jaulen des Rotors tiefer, die kleine Maschine schien auf ihren Landekufen zu balancieren, dann war sie auch schon in der Luft und schwenkte mit blinkenden Navigationslampen nach Norden ab.
    »Molly war da, nicht wahr?« sagte Paul, als die roten und grünen Lichter in der niedrigen Wolkendecke verschwanden.
    »Ja.« Eleanor schlang fröstelnd die Arme um sich, obgleich der Wind warm war.
    »Was hat sie gesagt?«
    Eleanor setzte zu sprechen an, zögerte dann jedoch. »Ich bin nicht sicher«, sagte sie schließlich. »Ich erinnere mich daran, daß sie etwas gesungen hat, aber es war so, als würde sie gleichzeitig auf einem anderen Kanal zu mir sprechen.«
    »Die Pele kahuna können so etwas«, erklärte Paul. »Zumindest bei anderen Frauen.« Ein bitterer Unterton schwang in seiner Stimme mit.
    Mit einem Schlag wurde Eleanor etwas klar. »Sie... Sie und Ihre Onkel und die anderen kahuna... Sie haben versucht, Pele anzurufen, um die Insel von dieser Ferienanlage zu befreien, stimmt’s? Sie haben Pele angerufen, bevor Sie Kamapua’a, Pana-ewa und die anderen befreit haben.«
    Paul antwortete nicht, doch selbst in der schummrigen Dunkelheit konnte Eleanor die Wahrheit ihrer Behauptung an seinem Gesicht ablesen.
    »Die Dinge sind aus dem Gleichgewicht geraten«, erwiderte der Kurator schließlich. »Die Tradition... die alten Gesänge... viele zeigen keine Wirkung mehr. Pele antwortet nicht mehr so, wie sie es bei unseren Vorfahren getan hat.«
    »Daran ist die Vergewaltigung schuld«, sagte Eleanor.
    »Was?« Paul schien überrascht.
    »Die Vergewaltigung«, wiederholte Eleanor, verblüfft über ihre Gewißheit, doch nichtsdestotrotz unerschüttert in ihrer Überzeugung. »Über Jahrhunderte hinweg hat Ihr Ebergott... Kamapua’a... Pele vergewaltigt, wann immer ihm der Sinn danach stand. Das hat die Dinge aus dem Gleichgewicht gebracht. Ihre Schlachten waren Teil des Gefüges der Dinge, aber die Vergewaltigungen haben das zerstört.« Sie blickte auf den asphaltierten Weg und den Golfplatz, die jenseits der Bougainvillea in der Dunkelheit lagen. »Es ist wie mit dieser Hotelanlage, dieser Vergewaltigung der Natur.«
    Bevor Paul etwas erwidern konnte, zogen gleißende Scheinwerfer über sie hinweg. Die beiden wichen einen Schritt zurück, aber das Fahrzeug bretterte die Zufahrtsstraße hinauf und bog mit einem Affenzahn auf den asphaltierten Landeplatz. Bremsen kreischten.
    »An eurer Stelle würde ich schnellstens einsteigen!« rief Cordie, aus dem Jeep gebeugt. »In ein paar Minuten wird Petrus die Schleusen aufmachen.«
    Die beiden kletterten in den Jeep, Paul auf den Rücksitz und Eleanor auf den Beifahrersitz, genau wie im Hubschrauber. Sie hatten gewendet und waren schon wieder auf dem Rückweg zur Big Hale, bevor Eleanor bemerkte: »Das ist mein Miet-Jeep. Ich habe die Schlüssel bei mir. Wie hast du den Motor gestartet?«
    »Kurzgeschlossen«, erwiderte Cordie. »Und das ist beileibe nicht so einfach, wie es im Film aussieht. Glaub mir.«
    »Warum?« fragte Paul Kukali.
    »Warum es nicht so einfach ist? Nun, zuerst einmal baumeln die Zündschloßkabel nicht so gebrauchsfertig heraus, daß man sie schnell blankschaben und zusammendrehen kann. Obwohl es bei diesem blöden Jeep nicht mehr...«
    »Nein«, unterbrach Paul sie. »Ich meine, warum haben Sie das gemacht?«
    Cordie sah die beiden an. Der Wind wehte ihr strähniges Haar nach hinten. »Heute nacht treiben sich hier alle möglichen komischen Viecher herum. Aber das wißt ihr ja schon. Oder zumindest du weißt das, Nell.«
    Eleanor nickte. »Wir müssen heute nacht hinuntersteigen. In die Unterwelt.«
    »Heute nacht?« sagte Cordie. »Meine Güte, Kleines.«
    »Unmöglich«, rief Paul vom Rücksitz.
    Der Jeep hielt unter der Porte-Cochère. Die Empfangshalle lag im Dunkeln. Nicht einmal eine Kerze brannte.
    Eleanor drehte sich in ihrem Sitz um. »Warum unmöglich?«
    Paul Kukali gestikulierte mit seinen schlanken Händen. »Morgens gibt es eine kurze Zeit, wenn die Götter schlafen. Dann ist die Unterwelt unbewacht. In der Nacht... würde Kamapua’a Ihre Seelen fressen.«
    »Scheiß auf Kamapua’a«, gab Eleanor zurück, während ihr augenblicklich durch den Kopf

Weitere Kostenlose Bücher