Die Feuer von Eden
hatte sich nicht geschlossen, und ich zog eilig die Schlinge um meine Taille und schlang eine weitere Schlaufe um mein Handgelenk, so wie Mr. Clemens es mir gezeigt hatte. Einen Augenblick später schwebte ich dem Licht entgegen und schlug mir die Füße an der rauhen Höhlenwand auf, während ich strampelnd nach einem Halt suchte. Die haole -Geister stiegen mit mir auf, wirbelten umeinander und drehten sich wie aufgewühlte Staubflocken in einem Sonnenstrahl. Hinter mir scholl ein Donnern durch den Tunnel, doch ob es das Geräusch eines Erdbebens oder eines erwachten und erzürnten Schweinegottes war, hätte ich nicht zu sagen vermocht.
Ich verschwendete keinen Gedanken mehr an Anstand und Etikette, als ich in panischer Hast auf den Rand des Felsspalts krabbelte und, geblendet vom gleißenden Licht, die feuchte Luft tief in meine Lunge sog. Die Erde bebte weiter, der Gestank von Schwefel hing schwer in der Luft, der Himmel war blutrot verfärbt, die Geister der toten Missionare flogen um mich herum ins Licht und lösten sich auf wie Nebel in einem starken Wind, doch meine ganze Aufmerksamkeit galt in jenem Moment der Erscheinung vor mir.
Ich muß gestehen, daß ich in schallendes Gelächter ausbrach und nicht wieder aufhören konnte. Noch immer in meinem Evakostüm und auf meinen Knien in einer Haltung, die keine Christin, selbst in der Abgeschiedenheit ihrer eigenen Kammer, auch nur eine Minute lang einnehmen würde, konnte ich mich doch nicht rühren, so schüttelte ich mich vor Lachen.
»Was ist?« fragte Mr. Clemens. Er ließ die Ranke fallen, behielt aber die Kokosnuß weiter fest unter den Arm geklemmt. »Ich brauchte sie als Halt, um Sie heraufzuziehen, Miss Stewart«, sagte der Korrespondent und lief noch röter an als je zuvor.
Ich versuchte, mit dem Lachen aufzuhören. Und es gelang mir auch. Doch es dauerte etliche Minuten, während die Erde um mich herum bebte und der Vulkan hinter mir glühende Lava spuckte. Das Bild von Mr. Clemens, der so verbissen an jener Ranke zog, die Kokosnuß mit den unsterblichen Überresten unseres befreundeten Missionars fest unter seine Achselhöhle geklemmt, mit nichts bekleidet außer der aufsteigenden Röte seiner Wangen und den hohen Stiefeln, die er sich eilends angezogen hatte... Sie werden mir diesen Moment der Hysterie verzeihen.
Mr. Clemens hielt die Kokosnuß vor sich wie ein Feigenblatt. »Wenn Sie sich wieder beruhigt haben«, sagte er etwas vergrätzt, »dann würde ich vorschlagen, daß wir uns wieder anziehen und diesen Ort verlassen. Es scheint, daß Madame Pele ihr Tagwerk begonnen hat.«
Bei diesen Worten wandte ich mich um und blickte über das weitläufige Amphitheater aus getrockneter Lava. Kaum eine Meile den Hang hinauf züngelten Flammen aus den Felsspalten. Lava wurde hundert Meter und mehr in die Luft geschleudert, und gewaltige Wolken aus Schwefelgasen trieben über die zerklüftete Felslandschaft. Die steinernen Terrassen, die vor einer Stunde nichts mehr als die Überbleibsel früherer Lavakaskaden gewesen waren, glühten nun rot von geschmolzenen Strömen, die vor meinen Augen über die natürlichen Stufen flossen und tropften. Die Lava würde die Stelle, an der wir standen, binnen weniger Minuten erreicht haben, wenn sie dies nicht schon längst getan hatte und just in diesem Moment durch den unterirdischen Lavatunnel, dem wir gerade entflohen waren, schoß. Es war ein ernüchternder Anblick.
In weniger als einer Minute waren wir angezogen, obgleich ich gestehen muß, daß ich einige Verschnürungen meines Korsetts offen ließ. Es war ein sonderbares Gefühl, wieder Kleider zu tragen, so als ob jener kurze Augenblick paradiesischer Unschuld tiefverborgene Erinnerungen unserer frühesten Tage im Garten Eden wachgerufen hätte. Aber ich war froh über den schweren Reitrock, als ich mich rittlings in den Sattel schwang. Die Pferde waren verängstigt von dem Lärm und dem Beben und dem Gestank, doch Mr. Clemens hatte sie mit erfahrener Hand angebunden, und so konnten sie nicht fliehen, auch wenn sie in panischer Furcht mit den Augen rollten. Wir gaben den Tieren die Sporen und galoppierten Richtung Nordost davon. Hinter uns floß die Lava in einer plötzlichen Springflut, entzündete die wenigen Büsche und Grasflecken, die in dem alten pahoehoe -Fels wuchsen. Auf unserem Rückweg führte uns kein Irrlicht, doch Mr. Clemens hatte sich den Weg eingeprägt, und obgleich die Pferde erschöpft waren, erklommen sie den langen Hang mit einer
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