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Die Feuer von Eden

Titel: Die Feuer von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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über die Stufen und die Veranda. »Selbst die Fackeln sind heute abend nicht angezündet. Komm jetzt. Du machst die Tür auf und trittst zurück. Dann komme ich mit der Taschenlampe.«
    Genauso machten sie es. Eleanor fand das Ganze ein wenig melodramatisch, so als hätten sie zu viele Krimis im Fernsehen gesehen, aber Cordie schien vollkommen ernst, als sie die Tür mit einem Tritt ein Stück weiter aufstieß und den Lichtkegel der Taschenlampe über das Innere der hale schwenkte, den Revolver schußbereit erhoben.
    Die hale war leer und genauso, wie Eleanor sie verlassen hatte, nur daß in der Zwischenzeit das Bett gemacht worden war. Sie holte Kidders Tagebuch, warf ihren Kulturbeutel und ein paar andere Kleinigkeiten in ihre Tasche, zog den Reißverschluß der Tasche zu, und eine Minute später waren sie schon wieder aus der Tür.
    Paul hatte den Jeep gewendet. Cordie sprang auf den Rücksitz und überließ Eleanor den Beifahrersitz. Der Jeep brauste mit Vollgas den schmalen Weg entlang auf die Big Hale zu.
    Kurz vor der Shipwreck-Bar lag ein umgestürzter Baum quer über dem Asphaltweg. »O Scheiße«, entfuhr es Paul.
    »Fahren Sie drum rum«, befahl Cordie. »Gehen Sie auf Allradantrieb und brettern Sie quer durchs Gebüsch.«
    Paul schüttelte den Kopf. »Nein, es ist zu dicht. Zu viele Steine und Rohre. Wir müssen einen anderen Weg finden.«
    »Der Strand«, rief Eleanor. Er lag nur zwanzig Meter zu ihrer Linken. Wenn sie zurücksetzten, konnten sie den Weg am kleinen Pool entlang nehmen, um zur Big Hale zu kommen.
    Paul nickte und legte den Rückwärtsgang ein. Der umstürzende Baum hätte Cordie getroffen, wenn Pauls Reflexe nicht schnell genug gewesen wären. Der Kurator stieg auf die Bremse, und daher wurde Cordie nur hinten aus dem Jeep und in die raschelnden Palmwedel des umgestürzten Baums geschleudert.
    »Cordie!« schrie Eleanor und sprang halb aus ihrem Sitz auf.
    »O Scheiße«, murmelte Paul Kukali abermals. Etwas in seiner Stimme brachte Eleanor dazu, sich umzudrehen.
    Im Lichtkegel der Scheinwerfer, deutlich sichtbar, trotz des prasselnden Regens, der die Sichtweite unter zehn Metern hielt, standen der riesige schwarze Hund, der verwachsene Haifischmann, eine reptilienförmige Kreatur aus wabernden Nebelschwaden und ein Eber von der Größe eines Kleinwagens. Der Eber und der Hund grinsten mit schimmernden Menschenzähnen. Die Nebelgestalt trug ein echsengleiches Lächeln zur Schau. Andere Wesen bewegten sich raschelnd und knackend im Unterholz.
    Der Motor des Jeeps soff ab. Paul legte seine Hände schlaff auf das Lenkrad, und seine Kinnlade klappte herunter.
    Eleanor versuchte abermals, über den Rücksitz zu krabbeln, um nachzusehen, ob Cordie sich verletzt hatte, aber bevor sie das Heck des Jeeps erreichte, packten starke Hände ihren Arm und zerrten sie aus dem Fahrzeug.
    »Es ist mir nicht erlaubt, dich zu berühren, Weib«, erklärte der Eber mit geschmeidiger Baßstimme. »Aber die anderen können es.« Pana-ewa waberte um Eleanor herum, verschlang sie mit seiner ganzen Gestalt.
    Kurz darauf wurden die Rufe, männliche wie weibliche, zu Schreien, aber die Big Hale war etliche hundert Meter entfernt, und nicht einmal Schreie konnten über das Tosen des Gewitters und die Band, die die musikalische Untermalung für Byron Trumbos Penthouse-Dinnerparty lieferte, gehört werden.
     
     

Kapitel 21
    Die Sterne brannten.
Heiß waren die Monate.
Land erhebt sich zu Inseln.
Brandung, so hoch wie die Berge.
Pele reckt ihren Leib.
Regen prasselt in Sturzbächen vom Himmel.
Das Land wird von Erdbeben erschüttert.
Ikuwa, der feuchte Monat, hallt von Donner wider.
     
    Gesang zur Geburt von
Wela-ahi-lani-nui, dem ersten Menschen
     
     
    18. Juni 1866, in einem namenlosen Dorf an der Kona-Küste
    Im selben Moment, als ich die Stille wahrnahm, die vom Erwachen des riesigen Schweins kündete, erbebte auch schon die Erde, und ich wurde auf den Boden des Lavatunnels geworfen. Felsbrocken regneten herab, Stalaktiten brachen herunter, und die Geister um mich herum wirbelten durcheinander wie phosphoreszierende Planktonteilchen, die durch den Beinschlag eines Schwimmers aufgewühlt werden.
    In jenem Augenblick war ich überzeugt, mein Schicksal wäre besiegelt, und ich müßte nackt und allein im Reich der Geister sterben, doch im nächsten Augenblick schlängelte sich die ieie -Ranke durch den Spalt nach unten. Abermals erbebte die Erde, und abermals wurde ich zu Boden geworfen, aber der Spalt über mir

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