Die Feuer von Eden
Entschlossenheit, die eher von den vulkanischen Ausbrüchen hinter uns denn von tatsächlichen Sporen herrührte. Mr. Clemens hielt die Kokosnuß fest gegen den Knauf seines Sattels gedrückt, während wir dahingaloppierten. »Es würde nicht angehen, Reverend Haymark nach all diesen Mühen zu verlieren«, bemerkte er an einer Stelle. »Die Kokosnuß könnte in einen Kokospalmenhain rollen, und nach Leerung der Nuß, die wir unter ihren vielen Vettern herausgefischt und über Meilen und Abermeilen zurück zu dem Dorf geschafft haben, könnten wir dann unvermittelt feststellen, daß wir mit einem eingeborenen Pferdehändler oder einem ähnlichen Subjekt zurückgekehrt sind.«
»Das ist nicht komisch, Mr. Clemens«, schalt ich ihn, obgleich es aus unerklärlichem Grunde, höchstwahrscheinlich aufgrund meiner tiefen Erschöpfung zu diesem Zeitpunkt, in der Tat eine recht amüsante Vorstellung war.
Wir ritten in den Morgen. Mehr als einmal erbebte die ganze Insel so gewaltig, daß wir absteigen und die scheuenden Pferde festhalten mußten. Felsbrocken polterten den Abhang hinunter und zermalmten jeden Strauch und jeden kleinen ohi‘a -Baum, der ihnen im Weg stand, während hinter uns die Wolken aus Asche und Rauch die Sonne verfinsterten. Der Tag wurde vornehmlich von dem höllischen Feuerschein des ausbrechenden Vulkans erhellt. Einmal, als wir ob eines neuerlichen Bebens abgestiegen waren und die Pferde mit schierer Willenskraft festhielten, deutete Mr. Clemens den langen Hang hinunter zur Küste. Zuerst konnte ich durch die Rauchschwaden und Wolken nur wenig erkennen, doch dann sah ich, was den Korrespondenten erschreckt hatte: Vom Meer her, wenn auch noch viele Meilen entfernt, kam eine Flutwelle von gigantischen Ausmaßen auf die Insel zu. Die Stelle, an der wir standen, lag etliche Meilen über dem Meeresspiegel, und hatten wir nichts zu befürchten, aber der Anblick dieser riesigen Woge — tsunami nennen die Japaner sie, glaube ich — verschlug mir schier den Atem.
Von unserem Aussichtspunkt aus schauten wir zu, wie die gewaltige Woge grünen Wassers über die Klippen weit unter uns spülte und dann gnadenlos über die Palmenhaine entlang der Küste hereinbrach und diese wie von Zauberhand verschwinden ließ, bevor sie sich weiter landeinwärts wälzte. Aus dieser Entfernung mutete die Welle beinahe harmlos an, nur eine größere inmitten vieler anderer, die sich vor ihr an diesen Gestaden gebrochen hatten, aber es fiel nicht schwer, sich vorzustellen, welch schreckliche Zerstörung sie mit sich brachte. Ich dachte an die Tempel, die wir gesehen und das Dorf, in dem wir die Nacht verbracht hatten — vor nunmehr zwei schlaflosen Nächten! —, und fragte mich, ob sie wohl in der Bahn dieses allesverschlingenden Molochs lagen. Die Welle spülte über die halbe Meile Lavakessel, die wir so überstürzt verlassen hatten, und als das Wasser auf den Felsspalt aus brodelnder Lava traf, schoß eine solche Dampfwolke gen Himmel auf, daß ich, wie ich gestehen muß, entsetzt zusammenfuhr, so als drohten Mr. Clemens, unsere Pferde und ich jeden Moment gekocht zu werden wie Krabben in einem Topf.
Die Dampfwolke kam nicht einmal auf eine Meile an uns heran, doch sie verdeckte den grausigsten Teil der Szene — die Zerstörung, die jener gewaltige tsunami hereinbrechen ließ, als er zum Meer zurückkehrte und riesige Bäume, Eingeborenenhütten und lebendige Dinge meilenweit mit sich hinaus in die unauslotbaren Tiefen zog.
Wir ritten weiter. Nach einer derartigen Aufregung war die Erschöpfung, die darauf folgte, noch tiefer. Mehrere Male wachte ich auf und mußte erkennen, daß ich im Sattel eingeschlafen war. Meine Hände, Beine und Füße waren zerkratzt und mit blauen Flecken übersät von der Kletterpartie und der Höhlenerkundung, die wir au naturel unternommen hatten, und wir stanken noch immer nach dem ranzigen kukui -Nußöl, das keiner von uns beiden ob unserer überstürzten Flucht hatte abwaschen können, doch selbst diese beständige Belästigung konnte nicht verhindern, daß ich beim Reiten immer wieder einnickte.
Am frühen Nachmittag, vielleicht eine Stunde von dem Dorf entfernt, das wir suchten, machte Mr. Clemens unvermittelt halt. Zuerst war ich zu benommen vom Schlaf, um diese Unterbrechung unseres Ritts zu verstehen — die Erde bebte nicht mehr, und wir hatten den Rauch und die Asche weitestgehend hinter uns gelassen —, doch dann blickte ich zu meinem armen Pferd, Leo, hinunter und sah, daß er
Weitere Kostenlose Bücher