Die Feuer von Eden
vergangenen Tage hatten die tropischen Gewitter immer wieder von einer Minute zur nächsten an Stärke zu- oder abgenommen.
Cordie kämpfte gegen die Übelkeit an, die einen so bösen Schlag auf den Kopf immer begleitet, befreite sich aus dem Gewirr aus Palmwedeln und zog sich an der hinteren Stoßstange des Jeeps hoch. Etwas Kleines, Nasses und Pelziges streifte ihr Bein, und Cordie ballte instinktiv die Fäuste, bevor sie erkannte, daß es eine Ratte war. Die hausen in den verdammten Palmen. Wahrscheinlich sind schon fünfzig von diesen widerlichen Viechern über mich gekrabbelt, während ich k.o. war. Cordie spürte, wie ihr eine Gänsehaut über den Körper lief, aber sie verdrängte den Gedanken eilig. Sie war in ärmsten Verhältnissen aufgewachsen, am Rand einer Müllkippe, auf der sie tagtäglich gespielt hatte. Den größten Teil ihres Erwachsenenlebens hatte sie mit der Müllentsorgung zugebracht. Sie haßte Ratten, aber sie waren ihr nicht fremd.
Noch während sie sich an der Stoßstange hochzog, tastete sie suchend nach ihrer Strohtasche. Der lange Riemen hatte über ihrer Schulter gelegen, als der Jeep in den Baum gekracht war, aber Cordie erinnerte sich daran, daß die Tasche durch die Luft geschleudert worden war, als sie ihren eigenen Flug angetreten hatte. Sie fand sie keine halbe Minute später, den Klettverschluß noch immer verschlossen. Cordie nestelte ihn auf und holte ihren .38er und die Taschenlampe heraus. Den Daumen auf dem Hahn des Revolvers gelegt und ohne sich um das schmerzende Pochen in ihrem Schädel zu kümmern, das die Nachwirkung einer leichten Gehirnerschütterung sein mußte, richtete sie sich hinter dem Jeep auf, Waffe und Taschenlampe erhoben.
Der Jeep war leer. Cordie bahnte sich einen Weg durch die spitzen Palmwedel und arbeitete sich zur Fahrerseite des liegengebliebenen Wagens vor. Die Scheinwerfer beleuchteten den Regen, aber von den Ungetümen war keine Spur zu sehen. Nichts regte sich im Unterholz. Cordie trat vor die Motorhaube des Jeeps und schwenkte die Taschenlampe. Nichts. In der Dunkelheit konnte sie Regen von den Palmen tropfen hören.
Ein leises Geräusch zu ihrer Linken ließ Cordie augenblicklich auf ein Knie fallen und die Waffe heben, der Lauf auf gleicher Höhe mit dem Lichtstrahl der Taschenlampe. Wieder ertönte das Geräusch — ein Stöhnen. Cordie senkte die Taschenlampe und sah einen nackten Männerfuß aus dem Blumenbeet ragen. Um den Fuß herum waren kleine Tafeln in den Boden eingesetzt, deren Aufschrift Cordie selbst auf diese Entfernung lesen konnte: Hibiskus und Lantana und Hapu’u-Farn. Der Mann stöhnte abermals. Cordie schwenkte den Lichtkegel der Taschenlampe noch einmal hinter sich, vergewisserte sich, daß sie das einzige menschliche oder nichtmenschliche Wesen in der Nähe war, und näherte sich vorsichtig dem am Boden liegenden Mann.
Es war Paul Kukali. Das Hemd des Kunstkurators war zerfetzt, und seine Hose sah aus, als wäre sie von langen Krallen zerrissen worden. Die linke Seite seines Gesichts war blau unterlaufen und zerkratzt, ein Auge war gänzlich in einer purpurnen Schwellung verschwunden, sein linker Arm war offensichtlich an zwei Stellen gebrochen, an seiner rechten Hand fehlte ein Finger, seine Brust und sein Oberschenkel waren von tiefen Schnitten oder Kratzern überzogen, und sein rechter Knöchel schien verrenkt zu sein. »Mein Gott«, flüsterte Cordie, »die haben Sie aber ganz schön in die Mangel genommen.« Sie hatte nie viel für den Mann übrig gehabt, hatte ihm aus irgendeinem Grund nie ganz über den Weg getraut, aber es gefiel ihr auch nicht, ihn in diesem Zustand zu sehen.
Wieder stöhnte der Kunstkurator. Cordie beugte sich zu ihm hinunter und legte eine Hand auf seine nackte Brust. Trotz der Verletzungen schien die Atmung des Mannes regelmäßig und ungehindert, sein Herzschlag kräftig. »Paul«, flüsterte sie, »wo ist Nell? Wo ist Eleanor?«
Paul Kukali stöhnte. Er war nicht wirklich bei Bewußtsein. Cordie klopfte ihm auf die Schulter und richtete sich auf. Sie hatte genug über Erste Hilfe gelernt, um zu wissen, daß sie ihn lieber liegenlassen und Hilfe holen sollte, statt ihn irgendwohin zu schaffen; er könnte an seinen eventuellen inneren Verletzungen sterben, wenn sie versuchte, ihn zu bewegen. Aber sie wußte auch, daß es an diesem verrückten Ort zu dieser verrückten Zeit recht lange dauern könnte, bis ärztliche Hilfe kam. Die Ungeheuer, die Paul so zugerichtet hatten, könnten sich
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