Die Feuer von Eden
sehr wohl Cordie schnappen, bevor sie die Big Hale erreichte, und in dem Fall würde der Kunstkurator hier draußen in der Dunkelheit verbluten.
»Ich bin gleich wieder zurück«, sagte Cordie und machte sich daran, mit der Taschenlampe den Gehweg und die Blumenbeete abzusuchen. Da waren Fußabdrücke — menschliche und andere — und zerwühlte Beete, aber lange war keine Spur von Nell zu entdecken. Dann fiel der Lichtstrahl plötzlich auf etwas Bleiches mehrere Meter tief im Dschungel, vielleicht zwanzig Schritte rechts von dem umgestürzten Baum, der ihnen den Weg versperrt hatte. Cordie schlich sich gebückt und mit schußbereitem Revolver heran. Der Regen war wieder stärker geworden und tropfte platschend von Blatt zu Blatt — ein Geräusch, das unter anderen Umständen durchaus beruhigend hätte wirken können.
Es war Eleanor. Ihre Kleider waren nicht zerfetzt, und es gab keine äußeren Anzeichen von Verletzungen. Cordie steckte den Revolver in ihren Gürtel und betastete das Handgelenk und den Hals ihrer Freundin. Sie legte eine Wange auf Eleanors Brust. Nell hatte keinen Puls. Sie atmete nicht. Ihre Haut fühlte sich kalt an.
»Scheiße«, entfuhr es Cordie. Sie steckte sich die Taschenlampe in den Mund und schleifte Eleanors Leiche durch den Schlamm und das Unterholz. Als sie schließlich den Weg erreichte, keuchte sie laut, und der pochende Schmerz in ihrem Kopf machte sie schwindelig. Sie mußte sich auf einen der Steine am Rand des Blumenbeets setzen und abwarten, bis sich das Schwindelgefühl und die Übelkeit wieder gelegt hatten. Dann hob sie Eleanor mit äußerster Vorsicht hoch, trug die Leiche zum Jeep und legte sie ganz sanft auf dem nassen Rücksitz ab.
Paul Kukali stöhnte nicht mehr, aber er atmete noch. Cordie benutzte eine Bandanna, um sie um die blutende rechte Hand mit dem fehlenden Finger zu wickeln, und dann machte sie sich daran, den Mann halb tragend, halb schleifend zum Beifahrersitz des Jeeps zu schaffen, wobei sie sich bemühte, seinen zertrümmerten linken Arm nicht zu berühren. Paul stöhnte laut bei dieser Aktion, besonders wenn sein gebrochener Knöchel über den Boden schleifte, aber er wachte nicht wirklich auf.
Nachdem sie den Kurator auf dem Beifahrersitz angeschnallt und Eleanors Leiche so auf den Rücksitz gelegt hatte, daß sie nicht herunterpurzeln konnte, lehnte Cordie sich einen Moment lang gegen den Jeep, um das Schwindelgefühl abzuschütteln, dann warf sie ihre Strohtasche auf den Wagenboden, beugte sich vor, um abermals die Zündung kurzzuschließen und blieb eine Weile einfach nur reglos sitzen. Der Jeep wurde von dem umgestürzten Baum vorn und dem kleineren hinten eingekeilt. Aber der Baum vorn war eine Palme, und die Wedel waren nur ein großes Büschel Laub auf dem Blumenbeet zur Rechten.
Cordie legte den niedrigeren Gang im Allradantrieb ein, und der Jeep holperte schaukelnd über die knackenden und brechenden Palmwedel. Halb erwartete sie, daß plötzlich etwas von oben aus den Bäumen auf ihren Rücken sprang, aber sie war zu sehr damit beschäftigt, das Fahrzeug vom Umkippen abzuhalten, um sich über mögliche Angreifer Sorgen zu machen. Dann war sie auch schon auf dem gepflasterten Weg zur Big Hale und konnte vor sich den dunklen Umriß der Shipwreck-Bar erkennen.
Sie schaltete in den höheren Gang und gab Gas.
Die hawaiische Fünfmanncombo hatte sich anfangs geweigert, zum Mauna Pele zu kommen, aber Trumbo hatte ihnen einen extra Tausender versprochen, und jetzt waren sie hier und lieferten mit Saxophon und Gitarre und Ukulele die musikalische Untermalung für den Abend, während die Sturmlampen den langgestreckten Bankettsaal in ein weiches Licht tauchten und Satos Leute saki schlürften, als würde er gleich morgen für immer verboten. Trumbo begrüßte die Musik, denn sie übertönte das Tosen des Gewitters und die ungewöhnliche Stille des fast verlassenen Hotels unterhalb der siebten Etage. Außerdem gab sie ihm Gelegenheit nachzudenken, statt sich unterhalten zu müssen.
Das Nachdenken war nicht gerade fruchtbar. Nach der ursprünglichen Zeitplanung hätte Sato die Verträge an jenem Nachmittag unterzeichnen sollen, und dies hier war als feierlicher Abschluß der Transaktion für beide Seiten gedacht gewesen. Obgleich die Einzelheiten des Deals eigentlich geklärt waren, waren Hiroshe Sato und seine Berater doch sehr beunruhigt wegen des Verschwindens von Sunny Takahashi und weigerten sich zu unterschreiben, bis der Knabe wieder
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