Die Feuer von Eden
schlechte Manieren schon beinahe gewöhnt. Ich muß gestehen, daß der redselige Korrespondent meinen Verstand und meinen Magen vom Schlingern der Boomerang und der Möglichkeit, Opfer riesiger Küchenschaben zu werden, ablenkte.
Als ich meinen Ekel beim Anblick dieser Kreaturen erwähnte, pflichtete Mr. Clemens mir bei, daß sie »einen beträchtlichen Anteil« an seiner Entscheidung gehabt hätten, hier herauf an Deck zu kommen. »Meine Küchenschaben hatten die Größe von Pfirsichblättern«, sagte er, »mit langen, bebenden Fühlern und funkelnden, bösartigen Augen. Sie knirschten mit ihren Hauern und schienen über irgend etwas unzufrieden.«
Ich beschrieb das hummergroße Ungeziefer, das sich meines Kopfkissens bemächtigt hatte. »Ich habe versucht, eine davon mit einem Sonnenschirm zu vertreiben«, erklärte ich, »aber die kleinere der beiden Küchenschaben griff sich den Parasol und benutzte ihn als Zelt.«
»Es war klug von Ihnen, von einer Fortsetzung der Schlacht Abstand zu nehmen«, bemerkte Mr. Clemens. »Wie ich aus berufenem Munde weiß, haben diese reptiliengroßen Insekten die Angewohnheit, schlafenden Seeleuten die Zehennägel bis zum Nagelbett abzukauen. Diese Vorstellung war es, die in mir das Bedürfnis weckte, an Deck zu kommen und im Regen zu schlafen.«
Und mit ähnlich harmlosem Unsinn verbrachten wir ein gut Teil jenes Abends.
Um fünf Uhr in der Früh warf das Schiff vor Lahaina, dem größten Dorf auf der grünen Insel Maui, Anker, und Mr. Clemens schien begierig darauf, an Land zu gehen. Leider war das Schicksal weder ihm noch der Verfasserin dieses Berichts gnädig — so sehr ich auch eine Verschnaufpause von seiner geschwätzigen Gegenwart zu schätzen gewußt hätte —, denn der Kapitän der Boomerang entsandte nur Beiboote, die mit Post und verschiedenen Waren zur Insel ruderten und alsbald mit nämlichem zurückkehrten, und Mr. Clemens war gezwungen, an der Reling zu stehen, den Sandelholzduft dieser südlichen Insel einzuatmen und mich mit Geschichten von einem früheren Besuch dieser grünen Hügel zu erfreuen.
Wir verließen Maui am frühen Nachmittag, und das Wasser des Kanals zwischen jener Insel und ihrer größeren Schwester im Süden war noch aufgewühlter, als wir es bisher kennengelernt hatten. Die Überfahrt selbst dauerte keine sechs Stunden, doch den meisten unserer Mitreisenden muß sie weit länger erschienen sein, denn bevor wir die Küstengewässer der Insel Hawaii erreichten, beteten etliche von ihnen darum, daß der Tod sie von ihrer mal de mer erlösen möge. Mr. Clemens zeigte sich weiterhin unberührt vom Schlingern und Schwanken — dem des Schiffes, sollte ich hervorheben, denn das Schlingern und Schwanken der grüngesichtigen Passagiere schien ihn abzustoßen —, und als ich ihm gegenüber bemerkte, wie erstaunlich widerstandsfähig er doch gegen die Unbilden der stürmischen See zu sein schien, gestand er mir, daß er vor dem Krieg »seine Zeit« als Flußschiffkapitän »abgeleistet« hätte.
Ich fragte ihn, warum er diesen Beruf gegen den des Korrespondenten eingetauscht hätte. Mr. Clemens stützte sich auf die Reling, zündete eine weitere seiner widerwärtigen Zigarren an und sagte mit einem schelmischen Funkeln in den Augen: »Es ist mir beileibe sehr schwer gefallen, Miss Stewart. Mich dem Literatenleben hinzugeben, meine ich. Ich habe versucht, ehrliche Arbeit zu finden, möge mich die Vorsehung in einen Methodisten verwandeln, wenn ich es nicht wahrlich versucht habe. Ich habe es versucht und versagt und mich schließlich der Versuchung ergeben, meinen Lebensunterhalt zu verdienen, ohne dafür arbeiten zu müssen.«
Ohne mich von seiner kindischen Neckerei ablenken zu lassen, faßte ich nach: »Aber die Flußschiffahrt fehlt Ihnen, Mr. Clemens?«
Statt ein weiteres Beispiel seines gezwungenen Humors zu liefern, blickte der rotschöpfige Korrespondent hinaus über das Meer, so als sehe er etwas in der weiten Ferne seiner Erinnerung. Es war das erste Mal, daß ich ihn ernst erlebte. »Ich liebte den Beruf des Flußschiffers, mehr als ich vielleicht je etwas oder jemand anders lieben werde«, erklärte er, sein Tonfall und sein Dialekt weniger übertrieben, als ich es bislang gehört hatte. »Meine Zeit auf dem Fluß bot mir vollkommene Freiheit, wohl die vollkommenste, die ein Mensch in seinem Leben je erfahren kann. Ich war niemandem Rechenschaft schuldig, erhielt von niemandem Befehle und war so bar jeglicher Fessel, wie man es sich
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