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Die Feuer von Eden

Titel: Die Feuer von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Sicht.
    Eleanor erkundete einige Minuten lang die hale, schaltete die Lampen in den verschiedenen Bereichen an und aus, dann vergewisserte sie sich, daß die Falttüren hinten und die einzelne Tür vorne verriegelt waren. Sie setzte sich auf das Bett, zu müde, um auszupacken oder sich auszuziehen.
    So saß sie noch immer da — halb schlafend, verloren in einem Traum von der Saddle Road und riesigen metallenen Ungetümen, die aus dem Unterholz brachen —, als irgend etwas oder irgend jemand direkt vor ihrem Fenster zu schreien begann.
     
     

Kapitel 6
    Während ich mich zum Schlafen bereitmache, erhebt sich eine wohltönende Stimme in der stillen Nacht, und, so nah dieser Felsen im Ozean auch dem Ende der Welt ist, erkenne ich doch eine vertraute Melodei aus der Heimat. Doch die Worte wollen so gar nicht dazu passen:
    »Waikiki lantoni oe Kaa booly wawhoo.«
    Übersetzt bedeutet das: »Als wir durch Georgia marschierten.«
     
    Mark Twain Roughing it in the Sandwich Islands
     
     
    7. Juni 1866, Hilo, Hawaii
    Unser Mr. Clemens entwickelt sich langsam zu einer wahren Landplage.
    Die Zweitagesreise von Honolulu nach Hawaii kann mit Fug und Recht als eine der unangenehmsten Erfahrungen meines Lebens bezeichnet werden. Wir hatten kaum die offene See erreicht, als das Schiff, die Boomerang (ein altersschwaches Gefährt von 300 Tonnen) begann, von Wellental zu Wellenkamm und von Wellenkamm zu Wellental zu schlingern und zu rollen. Die meisten meiner Reisegefährten besaßen den Anstand, sich in ihre Kojen zurückzuziehen, um sich in relativer Abgeschiedenheit zu übergeben — obgleich es keine Abgeschiedenheit an Bord dieses vermaledeiten Schiffes gab, keine Trennung der Geschlechter, denn alle — ob hawaiischer Eingeborener, Gentleman aus Honolulu, britische Lady, Chinese oder Paniolo-Cowboy — waren bunt durcheinandergewürfelt in der »Schlafkajüte« im Achterschiff zusammengepfercht, die nichts weiter als eine Verlängerung des schmucklosen Salons ist, in dem wir essen, trinken, uns aufhalten und Karten spielen.
    Nach meinem schon beschriebenen verbalen Sieg über den ermüdenden Mr. Clemens hatte ich mich zu meiner Koje in dieser abscheulichen Kajüte zurückgezogen, doch sobald ich die dunkle Enge des langgezogenen Gemeinschaftsraums betrat, fand ich mich mit zwei Küchenschaben auf der mir zugewiesenen Lagerstatt konfrontiert. Obwohl ich schon oft bekundet habe, daß ich Küchenschaben mehr verabscheue und fürchte als Grizzlybären oder Berglöwen, muß ich an dieser Stelle doch hinzufügen, daß es sich bei diesen beiden Exemplaren um keine gewöhnlichen Küchenschaben handelte. Diese Ungeheuer hatten die Größe von Hummern, mit roten Augen und Fühlern, an die man mühelos seinen Hut und seinen Sonnenschirm hätte hängen können, und es wäre noch Platz für den einen oder anderen Schal geblieben.
    Abgesehen von den unfeinen Geräuschen, mit denen unsere feinfühligeren Passagiere die Festmahle von sich gaben, die sie vor ihrer Abreise in Honolulu genossen hatten, war da noch das Schnarchen der ungerührten Schläfer, die sich wie Klafterholz entlang der Wände dieses Gemeinschaftsraums stapelten. Ich bemerkte, daß Mrs. Windwood den Kopf eines schlafenden Gentlemans als Fußschemel benutzte, und später erfuhr ich, daß es sich bei besagtem Gentleman um den Gouverneur von Maui handelte.
    Ohne die beiden Küchenschaben aus dem Auge zu lassen, die es sich offenkundig auf meinem Kopfkissen für ein längeres Schläfchen bequem machten, zog ich mich wieder zum Oberdeck zurück und wählte mir eine Matratze nahe dem Heckwerk als »Koje«. Wie es schien, hatte auch Mr. Clemens sich vorgenommen, den größten Teil der Überfahrt hier draußen zu verbringen, und so fanden wir uns abermals in einer Lage wieder, die uns in ein Gespräch zwang. Für mehrere Stunden, bis die Erschöpfung uns in unsere jeweiligen »Kojen« auf Deck trieb, sprachen Mr. Clemens und ich über Belangloses und oftmals Respektloses. Ich glaube, der Korrespondent war überrascht, einer Dame zu begegnen, die das schlagfertige Wortgeplänkel und das Erzählen amüsanter Anekdoten ebenso schätzte wie er selbst. Seine jugendliche Rüpelhaftigkeit vermochte er nie ganz abzulegen, ebensowenig wie seine abscheuliche Angewohnheit, seine billigen Zigarren ohne das kleinste »wenn Sie erlauben« anzuzünden, aber nachdem ich die Wildnis der Rocky Mountains und den Wilden Westen zwischen jener Gebirgskette und San Francisco bereist habe, bin ich

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