Die Feuer von Eden
felsigen Landzunge zu Eleanors Linken und einer langgestreckten Bank aus Sand und niedrigen Lavabrocken zu ihrer Rechten. Zu beiden Seiten entdeckte Eleanor nahe dem Wasser einige der teureren hales — große, samoanisch anmutende Holzbauten —, und hinter einem Palmenhain entlang des Mittelstücks des Strands war die siebenstöckige Big Hale auszumachen. Jenseits der Einfahrt zur Bucht sah sie eine Reihe von Wellen, die sich in mächtigen Gischtfontänen an Felsen und Sand brachen, aber innerhalb des geschützten Halbrunds der Lagune rollten die Wellen flacher und langsamer heran und schwappten fast schon träge an den Strand.
Der gesamte makellose Strandhalbmond war verlassen, bis auf zwei Arbeiter, die den Sand harkten, einen buntgekleideten Barmixer in einer offenen Grashüttenbar neben dem Swimmingpool, und Cordie Stumpf, die sich knapp außer Reichweite der vorwitzigsten Wellen auf dem einzigen Liegestuhl lümmelte. Eleanor mußte unwillkürlich schmunzeln. Cordies Badeanzug war ein einteiliges, blumenübersätes Ding, das aussah, als wäre es in den Fünfzigern gekauft und heute zum ersten Mal angezogen worden. Ihre fleischigen Arme und Schenkel waren teigig-weiß, und ihr rundes Gesicht war schon von der Morgensonne rot und verschwitzt. Sie trug keine Sonnenbrille und blinzelte, als Eleanor über den Sand herankam, der gerade noch kühl genug war, daß man ihn barfuß überqueren konnte.
»Guten Morgen«, begrüßte Eleanor Cordie lächelnd und blickte dann hinaus zu der Stelle, wo sich die ruhige Lagune und die gewaltigen Brecher trafen. »Ein wunderschöner Tag, nicht?«
Cordie Stumpf schnaubte und hielt sich schützend die Hand über die Augen. »Können Sie sich vorstellen, daß es in diesem Laden vor sechs Uhr dreißig kein Frühstück gibt? Wie soll man da alles aus einem Urlaubstag herausholen, wenn man bis halb sieben nichts zu essen bekommt?«
Eleanor antwortete mit einem diplomatischen »Mhmm«. Es war noch nicht ganz halb acht gewesen, als sie ihren Spaziergang begonnen hatte. Eleanor stand früh auf, wenn sie schon früh Seminare hatte oder im Sommerurlaub war, aber eigentlich war sie kein Morgenmensch. Wenn sie nach ihrer inneren Uhr lebte, dann arbeitete und las sie bis zwei oder drei Uhr nachts und schlief bis neun. »Wo haben Sie denn schließlich gefrühstückt?«
Cordie zeigte auf die Big Hale, ohne sich zu den Dächern umzudrehen, die sich hinter den Palmen erhoben. »Die haben da so ein Restaurant im Freien.« Sie hielt sich wieder schützend die Hand über die Augen und blickte zu Eleanor hoch. »Wissen Sie, entweder schlafen die in diesem Reiche-Leute-Schuppen alle bis in die Puppen, oder hier sind nicht viele Leute.«
Eleanor nickte. Der Sonnenschein und das sanfte Spiel der Wellen erfüllte sie mit einem Gefühl der Beschwingtheit. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß an einem so wunderbaren Ort etwas Schreckliches passieren sollte. Unbewußt zog sie den Riemen ihrer Strohtasche höher auf ihre Schulter und fühlte Tante Kidders Tagebuch an ihrer Seite. »Ich denke, ich werde mir jetzt auch mal was zu essen besorgen. Vielleicht sehen wir uns nachher.«
»Ja«, sagte Cordie, den Blick abermals auf die Lagune gerichtet.
Eleanor ging gerade an der Strohhüttenbar vorbei — die Shipwreck-Bar, wie das Schild verkündete, und dann sah sie auch schon das kleine Segelschiff, das zwischen den Bäumen hinter dem Swimmingpool auf der Seite im Sand lag —, als Cordie ihr hinterherrief. »He, Sie haben heute nacht nicht zufällig was gehört, oder?«
Eleanor schmunzelte. Sie konnte sich denken, daß Cordie Stumpf noch nie einen Pfau hatte schreien hören. Sie erklärte, was sie gehört und gesehen hatte.
Cordie nickte nur. »Ja, aber die Vögel meinte ich nicht. Irgend etwas anderes, weiter weg.« Die Frau zögerte einen Moment, die Hand über ihre blinzelnden Augen gelegt, ihr Hals in einer Vielzahl von Falten verschwunden. »Haben Sie zufällig einen Hund gesehen?«
»Einen Hund? Nein.« Eleanor wartete auf weitere Erklärungen. Der Barmixer lehnte sich auf die polierte Theke und wartete ebenfalls.
»Okey-dokey«, sagte Cordie Stumpf. Sie ließ sich wieder auf den Liegestuhl sinken und schloß die Augen.
Eleanor wartete noch einen Moment, schaute zum Barmixer, die beiden tauschten ein Achselzucken aus, und Eleanor begab sich auf die Suche nach einem Frühstück.
Das Frühstückstreffen auf der privaten lanai mit Blick auf den Meerespark war wie geplant gelaufen, und nach
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