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Die Feuer von Eden

Titel: Die Feuer von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Trumbo und sein Konsortium den Bau der Hotelanlage in dieser Gegend planten«, erzählte Paul Kukali gerade, »da sind wir bis vor den Obersten Gerichtshof von Hawaii gegangen, um die uralten hawaiischen Fischteiche und die Felszeichnungen zu erhalten.«
    »Welche Fischteiche?« fragte Cordie und schaute sich rechts und links um.
    »Ganz genau«, erwiderte der Kurator. »Bevor wir eine einstweilige Verfügung erwirken konnten, hatten seine Leute die Teiche schon planiert. Ich habe gedroht, die internationale Öffentlichkeit mobil zu machen, wenn er auch noch die Petroglyphen zerstören würde, also wurden diese paar Hektar erhalten... abgesehen von dem Joggingpfad, der durch das Gebiet führt, natürlich.«
    Sie blieben vor einem Schild stehen, das auf einen niedrigen Felsblock mit kleinen Löchern und der verblichenen Zeichnung einer Männergestalt hinwies. »Das sind also diese Petroglyphen?« erkundigte sich Cordie.
    »Ja«, erwiderte Paul.
    »Wie alt sind die?« Cordie war neben dem Felsen in die Hocke gegangen, die massigen Beine weit auseinander. Sie legte ihre fleischige Hand auf den Stein.
    »Das weiß niemand mit Sicherheit zu sagen«, erklärte Paul. »Aber diese gehören zu den ältesten auf den Inseln... vermutlich datieren sie zurück in die Zeiten, als meine polynesischen Vorfahren zum ersten Mal ihren Fuß auf dieses Land setzten, so vor etwa eintausendvierhundert Jahren.«
    Cordie pfiff bewundernd und berührte abermals den Stein. »Was sind das für kleine Löcher?«
    Paul und Eleanor gingen neben Cordie in die Hocke. »Das sind piko- Löcher«, erklärte der Kurator. »Nabelschnurlöcher. Es war Tradition, wenn die Neugeborenen den kleinen Stummel ihrer Nabelschnur verloren, daß die Nabelschnüre dann in diese piko- Löcher gesteckt und mit kleinen Steinen zugedeckt wurden. Familien mußten mit der piko des Kindes in einer Kürbisflasche von weit her kommen, um sie hier abzulegen. Wir haben nur eine vage Vorstellung davon, warum diesem Ort so viel mana zugesprochen wurde.«
    Cordi zog fragend ihre dicken Augenbrauen hoch, als sie das Wort hörte.
    »Mana bedeutet spirituelle Kraft, stimmt’s?« sagte Eleanor.
    Paul nickte. »Für die alten Hawaiianer war alles in der natürlichen Welt eine Sache des mana«, erklärte er. »Einigen Orten, wie diesem hier, wurden besondere Kräfte zugesprochen.«
    Eleanor erhob sich und ging zu einem anderen Felsblock, auf dem mehrere gemalte Figuren die Fläche zwischen den piko- Löchern ausfüllten. Sie betrachtete eine Figur mit Vogelfüßen, stacheligen Haaren und einem beeindruckenden erigierten Penis.
    Cordie gesellte sich zu ihr. »Dieser kleine Kerl hat ja einen Schwanz wie ein Speer. Soll das mehr mana bedeuten?«
    Paul Kukali lachte. »Wahrscheinlich. Alles, was die Hawaiianer taten oder dachten, drehte sich um mana oder kapu.«
    »Tabus?« sagte Eleanor.
    Paul hockte sich auf den Felsen und legte seine Hand direkt über die männliche Gestalt, die Codie so bewundert hatte. »Kapus waren nicht nur Vorschriften darüber, was man tun durfte und was nicht. Über Tausende von Jahren waren die Hawaiianer besessen von mana — von der spirituellen Kraft, die aus der Erde und den Göttern und jedem einzelnen entströmt — und kapu half, diese Kraft dort zu halten, wo sie hingehörte... half zu verhindern, daß sie gestohlen wurde.«
    Cordie rieb sich die Nase. »Die glaubten, man könne die Kraft stehlen?«
    Der Kurator nickte. »Sie glaubten sogar so fest daran, daß das gemeine Volk wie Sie und ich sich auf den Boden legen und das Gesicht verbergen mußten, wenn die ali‘i — die Fürsten — vorbeigingen. Selbst zu erlauben, daß unser Schatten auf sie fiel, wurde mit dem Tode bestraft. Mana war hochbegehrt, und oft genug hing das Überleben des Dorfes oder der Menschen davon ab. Die Strafen waren hart.«
    Cordie ließ den Blick über das Lavafeld schweifen. »Wurden hier denn auch... äh... Menschen geopfert?«
    Paul verschränkte die Arme. »Davon muß man wohl ausgehen. Dieser Küstenabschnitt ist reich an heiaus — alten Tempeln —, in denen Opfer dargebracht wurden. Selbst die großen Säulen, die sie in die Erde pflanzten, verlangten die Leiche eines Sklaven in jedem Loch.«
    »Pfui deibel«, entfuhr es Cordie.
    »Aber es gab auch andere heiaus, wie den Puuhonua o Honaunau ein Stück weiter die Küste hoch«, sagte der Kurator. »Der sogenannte Tempel der Zuflucht, wohin sich die Schwachen flüchten konnten, um solch einem grausigen Schicksal zu

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