Die Feuer von Eden
bewegen, aber so weit das Laternenlicht reichte, sah die Kruste überall gleich aus. Was für eine andere Oberfläche der Pfad auch immer geboten hatte, sie war im Schein der Laternen nicht auszumachen. Wir waren hoffnungslos auf dieser dünnen Kruste über einem unauslotbaren Lavasee gefangen.
»Schnell«, rief Reverend Haymark, »löschen Sie die Laterne.«
Der Korrespondent schaute ob dieses Vorschlags ebenso zweifelnd drein wie ich, doch er folgte dem Beispiel unseres stämmigen Führers. Einen Augenblick später war um uns nur noch Dunkelheit, bis auf den Höllenschein des Lavasees, den wir gerade verlassen hatten, und dem Glühen aus den vielen Spalten und Rissen um uns herum.
»Ich habe nicht am Aussehen der Oberfläche erkannt, daß wir vom Pfad abgekommen sind«, erklärte Reverend Haymark, seine Stimme nur mehr ein Flüstern, so als ob ein unbedachter Laut genügen würde, um uns alle drei durch die brüchige Kruste stürzen zu lassen. »Es war das Geräusch.«
»Wie meinen Sie das?« fragte Mr. Clemens.
»Der Pfad war glatt und ausgetreten. In den unberührten Gebieten finden sich noch immer diese feinen Lavanadeln. Hören Sie.« Er bewegte seinen Fuß über die Oberfläche, und wir konnten das leise Knistern hören, als er jene winzigen Nadeln unter seinem Stiefel zermalmte. »Es war das Geräusch, das mich erkennen ließ, daß wir vom Wege abgekommen waren.«
Ich schaute mich in der Dunkelheit um. Vielleicht würde der Pfad zu erkennen sein, sobald wir ihn wiedergefunden hatten, doch jetzt war er unsichtbar.
»Schließen Sie die Augen!« rief Reverend Haymark und machte es uns vor, dann schwenkte er seinen Stiefel in kleinen Kreisen, während er sein Gewicht auf sein linkes Bein stützte.
Mr. Clemens und ich erkannten augenblicklich, wie genial dieser Vorschlag unseres Führers war, und wir schlossen unsere Augen und begannen, mit unseren Stiefeln nach dem verräterischen Knirschen zu fahnden. Wenn uns jemand beobachtet hätte, hätten wir wohl einen recht komischen Anblick abgegeben — drei Abenteurer, die jeder auf einem Bein in der höllischen Dunkelheit standen und das andere Bein in langsamen, zaghaften ballettgleichen Bewegungen umherführten, die Augen geschlossen, jeder mit dem unauslöschlichen Ausdruck der Angst auf dem Gesicht. Mit jedem Schritt erwartete ich einzubrechen und war überzeugt, ein grauenvolles Knacken zu hören, so als würde sich die gesamte Oberfläche bereit machen, unter uns wie eine Fläche aus brüchigem Eis einzustürzen.
»Ich habe ihn!« rief Samuel Clemens aus. Der Reverend und ich rissen die Augen auf und sahen den Korrespondenten weit zu unserer Linken stehen, das rechte Bein ganz ausgestreckt, während sein Stiefel über das unebene Terrain kratzte. Ich konnte nicht erkennen, wie es ihm gelang, in einer so komischen Pose das Gleichgewicht zu halten.
»Es klingt anders«, erklärte er. »Ich werde noch einen Schritt machen müssen, um zu sehen, ob meine Ohren verläßlich sind. Es könnte auch nur eine dünnere Schicht sein.«
»Bitte seien Sie vorsichtig, Mr. Clemens«, sagte ich und erkannte noch im selben Moment, wie absurd diese Bemerkung war.
Der Korrespondent warf mir einen Blick zu, und seine Augen blitzten unter jenen buschigen Brauen. Der rote Lichtschein ließ ihn wie einen schelmischen Dämon anmuten.
»Miss Stewart«, setzte er mit ernster Stimme an.
»Ja?«
»Wenn die Kruste mich nicht tragen sollte, würden Sie dann eine Botschaft von mir nach Kalifornien überbringen?«
Mein Herz setzte einen Schlag aus. »Ja, Mr. Clemens.«
Er klang betrübt. »Würden Sie bitte all die jungen Damen aufsuchen, denen ich je den Hof gemacht habe, und jeder von ihnen sagen, daß ich ihren Namen auf meinen Lippen trug, als mich das Schicksal ereilte?«
Es gab keine Antwort für eine derartige Impertinenz, also sagte ich: »Machen Sie Ihren Schritt, Mr. Clemens.«
Der Korrespondent machte einen großen Satz und landete mit beiden Füßen wie ein Kind beim Bockspringen. Die Oberfläche hielt. Mr. Clemens ging in die Hocke, tastete den Boden mit beiden Händen ab und verkündete: »Das ist der Pfad; von diesem Winkel aus kann ich sehen, wo er verläuft.«
Das gute halbe Dutzend Schritte, das Reverend Haymark und ich zurücklegen mußten, um zu Mr. Clemens zu gelangen, war der längste Marsch meines Lebens. Schließlich, nachdem wir uns vergewissert hatten, daß es in der Tat der gesuchte Pfad war, dem wir zum Lavasee gefolgt waren, und wir wieder etwas
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