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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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unschlüssig inne, den Topf in der Hand.
    »Guten Abend, Paròn Lorenzo«, begrüßte ihn Andrea.
    Lorenzo besann sich und kam auf ihn zu. »Avvocato, Ihr müsst mir helfen«, sagte er betrübt und stolperte dabei fast über seine Worte.
    »Lorenzo!« Marias heisere Stimme ließ den Wirt erstarren. Seine Frau, die mit einem Korb Artischocken im Arm aus der Küche getreten war, kam mit kriegerischem Gebaren hinkend auf die beiden zu.
    »Was ist denn los?«, fragte Andrea.
    »Was los ist?«, platzte die Frau heraus.
    Vergeblich versuchte ihr Mann sie zu besänftigen: »Lass gut sein, ich rede mit ihm.«
    »Es ist so, verehrter Avvocato, und ich möchte Euch nicht zu nahe treten, aber diese Frau da ist zurückgekommen, und die will ich hier drin nicht haben!« Nach diesen Worten versetzte sie Lorenzo einen Stoß mit dem Korb, um sich freie Bahn zu verschaffen, und stieg mit ihrer kostbaren Ladung Artischocken erhobenen Hauptes die Treppe hinauf.
    »Wollt Ihr es mir endlich erklären?« Andrea wurde ungeduldig.
    »Nichts, es ist nichts passiert«, versuchte der Wirt abzuwiegeln, »in der Osteria ist diese Signora, die Ihr kennt.«
    Andrea zögerte, dann verstand er, drehte sich auf dem Absatz um und ging eilig auf den Bogen zu, der in den Speisesaal führte.
    »Avvocato, soll ich Euer Zimmer für Euch räumen?«, rief Lorenzo ihm hinterher, um sein Ungestüm zu bremsen. »Es gibt Hochwasser!«
    Aber Andrea war schon durch den Bogen gegangen. Im Speiseraum saßen ein Dutzend Männer, alles Hilfsarbeiter und Tischler vom Festland, die er kannte, weil sie schon seit über einem Monat in der Locanda einquartiert waren, seit die Wiederaufbauarbeiten begonnen hatten.
    Bei Andreas Eintreten breitete sich Stille im Raum aus, die Blicke der Handwerker richteten sich einer nach dem anderen auf ihn. Inmitten all dieser Männer sprangen ihm Sofias Züge in die Augen wie ein einzelnes Segel am Horizont. Die Frau saß auf einer Bank, die Hände zum Feuer im Kamin ausgestreckt. Zu ihrer Linken saß der Solecitadòr Francesco am anderen Ende der Bank und redete mit ihr, während er sich mit Schaufel und Schürhaken an der Glut zu schaffen machte und die Flammen auflodern ließ.
    »Salute, Eccellenza«, rief ein junger Arbeiter, das Glas hebend. Sofia hatte sich umgedreht und kam ihm entgegen.
    »Bitte verzeiht mir«, brachte sie heraus, während ihre Augen sich trübten. »Ich wollte Gutes tun, aber ich habe nur Unheilangerichtet, wie immer. Sagt mir nur, was ich tun muss, und ich werde es tun.«
    »Nichts dürft Ihr tun! Nichts, Signora Ruis!«, entfuhr es Andrea. Doch er senkte seine Stimme sofort wieder, weil alle lauschten. »Kommt mit«, und er zeigte auf die Bank am Kamin, wo Francesco sitzen geblieben war. Sofia fuhr sich mit den Händen über die Augen und seufzte tief auf. Dann setzte sie sich, nervös die Hände aneinander reibend. Andrea nahm Francesco beiseite.
    »Ich konnte nicht verhindern, dass sie hierherkommt«, sagte Francesco zerknirscht.
    »Nicht so schlimm. Geh jetzt nach Hause, denn das Hochwasser kommt«, sagte Andrea lächelnd.
    »Bei diesem Wetter komme ich nicht mal bis zur Anlegestelle der Fähre nach Murano. Ich bleibe hier und übernachte bei meinem Onkel Zuàne am Ponte di Cannaregio. Sein Haus liegt etwas höher.«
    Andrea klopfte ihm auf die Schulter, dann setzte er sich zu Sofia. Sie saß zusammengekauert auf der Bank, die Ellenbogen auf die Knie gestützt, das Kinn in die Hände gelegt, und starrte mit von zurückgehaltenen Tränen glänzenden Augen ins Feuer.
    »Ihr dürft mich nicht hassen«, flüsterte sie, als Andrea sich neben sie setzte.
    »Ich hasse Euch nicht.«
    Sie blickte ihn prüfend an, suchte in seinem Gesicht nach einer Bestätigung dieser Worte. Dann sah sie wieder ins Feuer.
    »Und wie lange wird dieser Leidensweg dauern?«
    »Die Zeit der Justiz ist nicht die Eures Herzens. Und Ihr wolltet ja nicht auf mich hören«, gab er bitter zurück.
    »Ich verspreche Euch, ich werde in Zukunft auf Euch hören!«, erwiderte sie flehend.
    Andreas erster Impuls war, aufzustehen und ihr zu sagen, sie solle ihn nicht mehr belästigen, sondern sich vom Anwalt Zon helfen lassen, was auch die Wirtin zufriedengestellt hätte. Doch just in dem Moment, als Andrea sich erhob, erschien diese aufder Schwelle und rief in den Saal: »Männer! Wein für alle, die mir Tische und Bänke nach oben bringen!«
    Laute Stimmen erhoben sich, und schon zeigten die Beine der von kräftigen Armen gepackten Tische nach

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