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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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oben. Andrea sah, wie sein Assistent, von dieser muskulösen, angeheiterten Schar überwältigt, ihm einen resignierten Blick zuwarf, ein Tischchen ergriff, das ihm gereicht wurde, und sich mitziehen ließ. Maria steuerte derweil gegen die Strömung direkt auf sie zu. Einen Schritt vor Andrea angekommen, sagte sie mit einem falschen Lächeln: »Das Wasser steht an der Tür, Ser Loredan, noch einen Moment, dann haben wir es hier drinnen. Ich habe Euch das Zimmer von Graziosa herrichten lassen. Mein Mann wird Euch helfen, Eure Sachen nach oben zu bringen. Mehr freie Plätze gibt es nicht in der Locanda, also nehmt es mir nicht übel, Avvocato, aber diese Frau muss sofort gehen.«
    Nichts wünschte Andrea weniger als einen erneuten Streit zwischen den Frauen.
    »Seid so freundlich, Maria«, sagte er, »Signora Ruis kann bei diesem Wetter nicht hinaus. Ich werde sie nach Hause begleiten, sobald der Pegel sinkt.«
    »Avvocato, um es ganz klar zu sagen, ich kann Personen, die mir respektlos begegnen, keine Gastfreundschaft erweisen. Diese Signora ist hier unerwünscht.«
    »Vergesst doch dieses Hinkebein, Ser Loredan!«, rief Sofia.
    »Unverschämtes Weib!« Maria hob drohend die Hand. »Raus aus meinem Haus, du verfluchte Hexe!«
    Sofia warf ihr einen verächtlichen Blick zu, drehte sich um und ging auf den Ausgang zu.
    »Seid unbesorgt, ich verlasse diese Kloake«, sagte sie und eilte durch den Flur, wo das Wasser schon über die Schwelle drang.
    »Kommt zurück! Ihr könnt bei diesem Sturm nicht rausgehen!«, schrie Andrea.
    »Signora, da draußen ist Hochwasser!«, rief Francesco, der sie von der ersten Stufe der Treppe aus besorgt beobachtete.
    Statt einer Antwort bückte sich Sofia, ergriff den Saum ihres Kleides, hob ihn an und zeigte ihre Beine in weinfarbenen Strümpfen und Unterhosen, die am Knie zusammengeschnürt waren. Dann nahm sie ihre Holzpantinen in die Hand, drehte sich noch einmal zu Francesco um, der sie verdutzt anstarrte, fragte: »Habt Ihr noch nie Beine gesehen?«, und war durch die Tür.

54
    Die erste Empfindung war die des eiskalten Wassers, das ihr bis an die Waden reichte, dann wusch der vom Schirokko erwärmte Regen ihr das Gesicht, und der Wind schien sie zurückdrängen zu wollen. Es war viel schlimmer, als sie erwartet oder je zuvor erlebt hatte. Der Gedanke an Umkehr schoss ihr durch den Kopf, aber das wäre wie der schändliche Rückzug eines Fante gewesen, der beim Klang der Trommeln als Freiwilliger in den Krieg zieht und beim ersten Kratzer umkehrt. Sie blickte sich um, doch alles, was sie sehen konnte, waren Wasser, Wellen und weiße Schaumkronen. Die Wogen brachen sich dort, wo einst der Rio di San Lorenzo gewesen war, und rollten an den Hauswänden entlang – das Meer war in die Lagune eingedrungen.
    Sofia bückte sich und berührte dieses Wasser mit den Fingerspitzen, als tunkte sie die Hand in das Weihwasserbecken am Eingang einer Kirche. Sie bekreuzigte sich. » Ave, maris stella «, begann sie laut zu beten, an den Sturm gewandt, » Dei Mater alma, atque semper Virgo, felix coeli porta   … « Sie überlegte, welcher Weg der beste sei, und beschloss, den über die Kirchen zu nehmen: San Lorenzo, San Giovanni di Malta, Sant’Antonio und weiter bis zur Bragola. Denn in Kirchen kann man Rettung suchen, es gibt immer einen erhöhten Hauptaltar, außerdem den Chor, die Kanzeln und einen Turm. Sie dachte auch daran, dass sie sich beeilen, dass sie nach Hause laufen musste, um das Wenige,was sie besaß, vor dem Wasser zu retten, vor allem die Stickereien, die man bei ihr in Auftrag gegeben hatte und die ihren Lebensunterhalt sicherten, wenn es im Arsenale an Arbeit für die Segelnäherinnen mangelte. Das Ziegelsteinpflaster der Fondamenta von San Lorenzo lag eine halbe Elle unter Wasser, und durch die von den Böen schraffierte Wasseroberfläche konnte man nicht einmal mehr den Grund sehen. Doch wenn man dicht an den Hauswänden entlangging, konnte man bis zum Brückengeländer kommen. Das tat sie, ihr Kleid hochhebend, obwohl es vor Nässe troff. Fünfzehn Schritte. Zunächst zaghafte, schwere Schritte, bei denen sie mit der Fußsohle auf das Wasser drückte wie auf die Trauben in der Bütte, dann immer sicherere, mit schleifenden Füßen. Plötzlich sah sie einen Hund im Wasser schwimmen, untertauchen und mit der Schnauze wieder hochkommen. In diesem Meer ohne Halt musste er sich verloren fühlen.
    »Komm her!«, rief Sofia, »komm her!«, und machte zwei vorsichtige Schritte auf

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