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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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bringen, und Ihr werdet Arbeit für das ganze Jahr haben.«
    »Danke, und vergebt auch Ihr mir«, antwortete sie, doch der Schneider war schon in die Calle della Scoazzèra eingebogen.
    »Danke«, wiederholte Sofia zu Andrea gewandt.
    »Schon gut. Gehen wir lieber die Schäden bei Euch zu Hause ansehen«, und er bewegte sich auf die Gruppe zu, die ihnen den Weg frei machte.
    Die Haustür hatte sich durch den Wasserdruck geöffnet, und in dem kleinen, einzigen Raum schienen Besessene gehaust zu haben. Nur das Tischchen und drei hölzerne Betten standen noch. Sie mussten wie Flöße auf dem Wasser geschwommen sein, um sich dann mit sinkendem Pegel wieder vor dem Eingang zu gruppieren. Alles andere, die Anrichte, zwei Stühle, die Truhe und die Schemel, war umgekippt, während die wenigen Habseligkeiten der Näherin auf dem Fußboden verstreut lagen. Es war, als ginge man nach einem Sturm am Lido entlang, wenn der Strand sich außer mit Algen, Muscheln, Krebsen und toten Fischen auch mit Baumstümpfen, Brettern, Fischernetzen, Bootsteilen, Seilen und Tongefäßen füllt.
    Starr stand Sofia auf der Schwelle, die Hände vor dem Mund gefaltet, und betrachtete das wüste Durcheinander.
    »An die Arbeit!«, rief Andrea, betrat das Haus, ohne ihre Reaktion abzuwarten, und begann, die Stühle aufzurichten.

65
    Wäre es nachts passiert, hätte Filippo Tomei, seines Endes gewiss, auf den siebzehn Stufen der Treppe in den Pozzi angefangen, um seine Seele zu beten. Doch es war ein herrlicher Sonnentag, und die morgendlichen Strahlen, die die Ostfassade weiß färbten, drangen auch durch den Gang an der Riva del Palazzo, um mit ihren Reflexen fast bis zu den zehn Zellen im Zwischengeschoss zu gelangen.
    »Filippo, Filippo!«, hatte Angelo geschrien, als er an der verriegelten Tür von Filippos Zelle, der vierten oberen, vorübergegangen war. Filippo war so überrascht gewesen, dass er eine Weile gebraucht hatte, um den Sinn dieser Worte zu erfassen, und als er endlich zum Guckloch gestürzt war, war schon alles vorbei.
    Dann waren die beiden Wächter gekommen, der Assassino und Visdecazzòn. Sie hatten die Tür geöffnet, waren aber nicht eingetreten.
    »Beeil dich, Florentiner!«, hatte der Assassino befohlen. »Nimm deine Sachen, wir gehen.« Ein Hanfsack war in die Zelle geflogen.
    »Wohin gehen wir?«
    »Halt den Mund und beeil dich!«
    Tomei packte seine wenigen Habseligkeiten zusammen und kroch unter dem dreieinhalb Fuß hohen Türpfosten hindurch
    »Los, beweg dich!« Der Wächter stieß ihn grob in den Gang, der zu den Treppen führte.
    Es war kalt, der Geruch der vom gestrigen Hochwasser durchfeuchteten Steine und Ziegel stieg aus der Tiefe herauf und vermischte sich mit der wärmeren Luft, die mit der Sonne durch die Fensterchen im Osten kam. Tomeis Blick fiel auf die römischen Ziffern, die über den Türpfosten der Zellen in Stein gemeißelt und schwarz ausgemalt waren. Von der fünften bis zur neunten standen die Ziffern auf dem Kopf, eine Eigenheit, deren Grund er nicht kannte, die jedoch etwas Unheilvolles und Todbringendes hatte, als wollte sie demjenigen, der diese Zellen betrat, ankündigen, dass die Welt dort drinnen eigenen Gesetzen folgte.
    An dem schmalen Durchgang zur Riva di Palazzo fühlte der Maler sich von der Sonne und der Angst gleichermaßen durchbohrt. Er spürte eine Klinge in seine Augen dringen und verbarg sein Gesicht in dem Sack.
    »Los, mach einen großen Schritt!«, herrschte Visdecazzòn ihn an. Im nächsten Moment merkte er, wie er unter beiden Achseln gepackt und hochgehoben wurde. Es gelang ihm, die tränenden Augen ein wenig zu öffnen, und er sah, dass er mit den Wächtern zu beiden Seiten an Bord eines schwarzen gondolòn gebracht wurde, der am Ufer lag.
    »Ihr seid vom Glück begünstigt.« Formento erwartete ihn neben dem robusten hölzernen Aufbau mit Fenstern, vor denen die Vorhänge zugezogen waren. »Eure Truhe mit Kleidern und Büchern habe ich schon einladen lassen«, fuhr der Sekretär der Zehn fort, »auch die Staffelei mit den Farben, Pinseln und Leinwänden. Ich hoffe, ich habe nichts vergessen. Bitte, nehmt Platz.«
    Der Florentiner wagte einen Blick in die Kabine. Erst sah er das C und das X, die Initialen des Rates der Zehn, golden aufblitzen, dann entdeckte er Angelo Riccio. Auf einer gepolsterten Bank sitzend, lächelte das Mönchlein ihm zu.
    »Angelo!«, rief Tomei aus, bückte sich und ließ sich in das Innere der Kabine gleiten.
    »Die Zehn waren großzügig mit

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