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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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etwas bitten.«
    »Aber sicher doch, sprich dich nur aus.«
    Andrea sammelte seine Kräfte, denn das, was er zu sagen im Begriff war, würde eine weitere Verwicklung in diesem Gewirr menschlicher Probleme schaffen.
    »Lass mich den Fall von Gabriele Ruis übernehmen.«
    Der Anwalt Zon öffnete überrascht den Mund, als hätte er eine ganz andere Bitte erwartet.
    »Ist das alles?«
    »Und den dieses Türken Mehmet Hasan.«
    »So nimm sie dir doch beide, mein Junge!«, rief Zon lächelnd aus. »Für mich sind das nur Scherereien gewesen.«
    »Danke.« Andrea erwiderte sein Lächeln und wandte sich schnell zur Tür. »Ich gehe die anderen Akten holen.«
    Er hob den Riegel und riss die Türflügel auf. Ein Strom frischer Luft erfasste ihn, der ihm sofort Erleichterung verschaffte.
    Francesco d’Angelo, sein Gehilfe, lehnte ein paar Schritte entfernt an der Balustrade der Loggia, und kaum hatte er Andrea gesehen, kam er ihm mit angespannter Miene entgegen. »Sie haben Granzo gefangen«, sagte er.

71
    Wenn man seinen nackten jugendlichen Körper sah, konnte man gut verstehen, warum der fünfzehnjährige Nicolò Bozza von Freunden und Feinden Granzo genannt wurde. Genau wie bei einem granchio , einem Krebs, bestand auch bei dem Jungen ein völliges Missverhältnis zwischen dem oberen und dem unteren Teil seines Körpers. Denn im Gegensatz zum gut entwickelten Brustkorb, zu dem der große Kopf und die muskulösen, Krebszangen gleichenden Arme passten, hatte er zwei kurze, magere Beinchen, die in ebenso winzigen Füßen endeten.
    Neben Granzo stand der Gefängnisarzt Dottor Hieronimo Dalessi, angetan mit der langen schwarzen Robe der ärztlichen Zunft, dem breitkrempigen Hut, Handschuhen aus weißer Wolle und Rosenduftstopfen in den Nasenlöchern. »Stillhalten«, sagte der Arzt mit tonloser Stimme und beendete seine Inspektion. »Würmer«, stellte er ohne besonderen Nachdruck fest. Er zog Granzo hoch und stellte ihn wieder aufrecht auf das Podest. »Der Angeklagte ist von Würmern befallen, aber im Wesentlichen gesund«, sagte er zu den Richtern. »Daher keine Einwände gegen das weitere Vorgehen.«
    Die Stille wurde von Murmeln, Flüstern und abgerissenen Worten unterbrochen, die Pizzamano, Pasqualigo und Dolfin, die drei Häupter der Zehn, über die Anwesenheit des Signore di Notte Catanio austauschten. Derweil kratzte die Feder des Notars die Einwilligung von Dottor Dalessi auf das Papier. Dieser stellte sich neben den Notar, der ihm schon die Feder reichte, und setzte eine gekünstelt schwungvolle Unterschrift unter das Dokument.
    »Möge der Herr dich erleuchten, Junge«, sagte nun Pietro Pizzamano, »und die Jungfrau Maria dich beschützen.« Er atmete tief ein und fuhr fort. »Wisse, dass die Folter, die wir dir auferlegen werden, weder unser Wille noch unsere Entscheidung ist, sondern allein die erzwungene, böse Frucht deines hartnäckigenSchweigens. Also fordere ich dich im Namen Gottes auf, bekenne deine Schuld, lass die Wahrheit leuchten, und all das hier wird dir erspart bleiben.«
    Der alte Edelmann verstummte, den Blick auf Granzo geheftet. Der Junge stand mit gesenktem Kopf auf dem Podest, starr zu Boden blickend.
    »Hast du verstanden, was ich dir gesagt habe?«, drängte Pizzamano.
    Granzo rührte sich nicht, gerade so wie ein zwischen den Algen am Strand lauernder Krebs. Das Haupt der Zehn blickte zu Formento hinüber und gab ihm ein Zeichen. Formento zögerte. Als Pizzamano ihm zunickte, gab der Sekretär Bartolomeo Puti einen Wink, worauf der Riese, ohne Zeit zu verlieren, Granzo an einem Handgelenk packte und schon das andere ergreifen wollte. Doch der Junge ließ ihm keine Zeit für sein Vorhaben. Die Augen weit aufgerissen wie eine Wildkatze in der Falle drehte er den Arm herum, und bevor die Finger des Arsenalotto sich zu einem Griff schließen konnten, hatte er sich schon losgerissen und war mit einem großen Sprung mindestens zwei Ellen weit durch die Luft geflogen.
    »Bleib stehen, Rotzlümmel«, schrie Puti und stürzte mit der Schwerfälligkeit der Kolosse hinter ihm her, während die anderen verblüfft die außergewöhnliche Verwandlung des Krebses in eine Katze verfolgten. Zuerst versuchte der Junge, den einzigen Ausgang zu erreichen, doch der war verriegelt, und er konnte nicht mehr tun, als lärmend am Schloss zu zerren. Er entwischte zur Seite, doch Putis Hände hoben sich drohend, um schwer wie Karrenstangen auf seine Schultern zu fallen.
    »Es ist aus, bleib stehen!«, rief Pietro

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