Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)
unbestechlichen Anwalt wie dich zu verzichten. Doch nun lässt du mich bereuen, was ich für dich getan habe«, sagte der Anwalt bitter.
Nun, da sein Gegner den Schild gesenkt hatte, ergriff Andrea die Initiative, um dessen Geste zu unterstützen.
»Ich werde für all deine wirtschaftlichen und moralischen Schäden aufkommen. Ich spreche mit dem Kanzler Ottobon und erkläre ihm, wie es sich wirklich abgespielt hat. Du weißt, dass Eintragungen im Kanzleibuch sich korrigieren lassen, wenn gute Gründe vorliegen. Wir werden das alles wieder in Ordnung bringen.«
Giacomo Zon schwieg und blickte ihn forschend an. Er ließ die Möglichkeit eines Waffenstillstands erahnen, wollte aber nicht den Eindruck erwecken, zu nachgiebig zu sein, um einen höheren Preis herauszuschlagen.
»Eintragungen können gelöscht werden, ja, aber die Spuren bleiben auf dem Papier wie Narben«, rief er so melodramatisch aus, dass es fast komisch klang. Tatsächlich lächelte Andrea insgeheim, doch dann kam ihm der Verdacht, dass Zon um den Frieden schacherte.
»Sag mir, was ich tun soll«, fragte er, um zu erfahren, was Zon im Sinn hatte.
Der schüttelte grimmig den Kopf. »Da ist nur noch wenig zu machen.« Er kratzte sich heftig an dem roten Fleck zwischen seinen Augenbrauen, worauf sich zahllose Hautschüppchen lösten und deutlich sichtbar auf seiner schwarzen Robe verteilten. »Doch ich freue mich, solche Worte von dir zu hören«, fügte er hinzu und trat dicht an Andrea heran. Einen Augenblick lang fürchtete der, umarmt zu werden, wodurch sich jene unzähligen Schuppen toter Haut auf seine Kleidung übertragen hätten. Zum Glück begnügte der andere sich damit, ihm mit einer Hand auf den Arm zu klopfen. »Ich brauche deine Hilfe«, sagteer und betrachtete ihn so entrückt, als stünde er vor einem Heiligenbild. Dann begann er zu sprechen und hörte nicht auf, bis er seinen Wunsch ausgedrückt hatte. Und der war nicht gering: Er wollte, dass Andrea ihn beim Dogen als möglichen Kandidaten für die Ernennung zum Savio für Ketzerei empfahl.
»Der Nuntius Facchinetti ist mein Fürsprecher«, sagte er mit leuchtenden Augen. »Und der Patriarch ist ein alter Freund meiner Familie«, erklärte er tief aufseufzend. »Ich bin jetzt sechzig …«, seine Erregung steigerte sich sichtlich, »und was könnte ein Adeliger mit meiner juristischen Erfahrung, moralischen Integrität und Frömmigkeit sich mehr wünschen, als während der wenigen Jahre, die ihm bleiben, seinem geliebten Vaterland und der heiligen Mutter Kirche zu dienen?«
Seit sein Vater Pietro auf den Dogenthron gewählt worden war, hatte Andrea Gesuche und Anfragen aller Art hören müssen: von der Fürsprache wegen eines Fischverkaufstandes auf dem Rialto-Markt über die Vergabe eines Auftrags für die Beleuchtung der Brücken von San Marco oder eine Anstellung als Skribent in der Dogenkanzlei bis hin zur Bitte um eine Lizenz als Bootsbauer. Alles Gesuche, die Andrea bis auf ein paar wirklich bemitleidenswerte Fälle immer abgelehnt und offen verurteilt hatte.
Andrea übermannte der Ekel. Wieder dachte er an die sechs Soldi, die dieser Schurke von Sofia verlangt hatte. Er dachte an Gabriele im Gefängnis und an Zons weitverzweigtes Netz getreuer Aufseher und Wächter, das er im Laufe seiner langen Berufstätigkeit in den venezianischen Gefängnissen geknüpft hatte. Da sie von den Pozzi zu den Kerkern im Rialto, von den verschiedenen Casoni bis zu den Polizeistationen und ehemaligen Kornspeichern reichten, gab es keine Zelle, wo Gabriele sicher gewesen wäre, wenn Zon sein Feind war. Er dachte an Sofias Verzweiflung und sah ihre Augen vor sich. Da entschied er.
»Ja, ich werde mit meinem Vater sprechen«, sagte er, und schon während er es aussprach, wusste er, dass er das nicht tun würde. »Doch du musst etwas Geduld haben. Das sind heikle Angelegenheiten.« Er musste Zeit gewinnen. Gabriele aus dem Gefängnis holen. Vielleicht mit einer Kaution. Oder eine erleichterte Haft für ihn erwirken. Er musste ihn aus dieser Hölle herausbringen.
»Nimm dir alle Zeit, die du brauchst.« Zon zog ein Taschentuch aus dem Ärmel seiner Robe und putzte sich die Nase. Von der Nase ging er zu den Augen über, die sich mit Tränen gefüllt hatten. »Gott segne dich, Andrea. Du weißt nicht, welch ein Geschenk …«, er konnte nicht weitersprechen.
Andrea wäre gerne weggegangen. Doch ihm blieb nichts anderes übrig, als den Handel zu Ende zu führen.
»Auch ich möchte dich um
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