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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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Feuer für das Abendessen entfacht, während sich die Soldaten wie Kinder am Wasser vergnügten. Tomei suchte nach den Zelten und fand keine, es musste also eine Truppe auf einem Gewaltmarsch sein, und nach der Pause würde sie eine recht harte Nacht erwarten.
    In der nahegelegenen Osteria von Masegne hatte er sich erkundigt: Es waren Soldaten aus Rovigo, und ihre Kommandanten aßen gerade in der Osteria zu Abend. Einer von ihnen fragte den Wirt nach dem besten Weg hinauf zur Einsiedelei. Das war Iancarli, der Stadtvikar.
    Filippo ließ sich ein Glas Wein einschenken, bat um etwas Hafer für das Pferd, ließ es seinen Durst an der Tränke stillen, zahlte zehn Soldi und brach auf. Bevor er eine Stunde vor Sonnenuntergang das Dorf verließ, fragte er nach dem Weg zu den Mühlen von Calcina. Nach der letzten Wegbiegung, hinter dem Wald, trieb er das Pferd an.
    In weniger als einer halben Stunde hatte er die beiden Mühlen erreicht, die vom Wasser des Gebirgsbachs angetrieben wurden. Zuàn Francesco Marin hatte ihm gesagt, er solle den Karren dort lassen und den Pfad hinauf zur Einsiedelei nehmen. Filippo einigte sich mit dem Müller, schulterte die Truhe mit den Stoffmustern und marschierte los.
    Der Pfad begann hinter den Mühlen, führte über ein hölzernes Brückchen und dann direkt in den Wald aus Kastanien, Buchen und Eichen am Nordhang des Berges, wo er in einer ununterbrochenen Reihe von Biegungen anstieg. Im Wald war es bereits Nacht. An jeder Biegung hatten die Mönche eine Kreuzwegstation errichtet, so dass die vierzehn Stationen zu ebenso vielen Pausen zum Atemholen und Beten wurden. Jede Station hatte eine Ädikula mit einem behauenen Stein und einem Votivlicht, das Wanderern und Pilgern die Seele stärkte und den Weg wies.

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    Die Mensa des Gästehauses hatte vier Tische, und um einen saßen der Abt, Andrea und Jacomo. Sofia und Gabriele hatten an einem anderen Tisch Platz genommen. Niemand sonst war zugelassen. Das Essen verlief der Regel gemäß: schweigend und maßvoll. Fleisch bekamen nur Sofia und Gabriele. Von Zeit zu Zeit suchte der Blick der Frau Andreas Augen und ruhte lange in ihnen. Das Fieber war überwunden, ihr Gesicht hatte wieder etwas Farbe bekommen, und nur einige blaue Flecke und die kurzen Haare zeugten noch von dem, was sie durchgemacht hatte.
    Als die Glocke des Klostertors um diese ungewöhnliche Zeitläutete, bekreuzigte sich der Abt, faltete seine Serviette ordentlich zusammen, erhob sich und ging hinaus. Eine unbestimmbare Zeit verging. Irgendwann rückte Jacomo zu Andrea und flüsterte ihm zu: »Macht Euch bereit, denn ich fürchte, sie sind schon hier.« Er hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da erschien der Abt wieder auf der Schwelle. »Jacomo, Andrea, kommt«, sagte er.
    Filippo Tomei wartete im Sprechzimmer und konnte kein anderes Beglaubigungsschreiben vorweisen als die auswendig gelernte Zahlenfolge α β γ δ η κ ζ , ehrliche Augen und die Nachricht, dass in Kürze ein Sturm über der Einsiedelei losbrechen würde. Die Soldaten aus Rovigo hatte er schon gesehen, und aus Padua würden bald der Inquisitor Aurelio Schellino, der Ratgeber Lorenzo da Mula, Fanti und Soldaten ankommen. Als Andrea den Besucher sprechen hörte und sah, wie ruhig der Abt und Dragan auf seine Ankündigungen reagierten, hatte er das deutliche Gefühl, dass bereits Absprachen stattgefunden hatten, Entscheidungen schon getroffen waren, und er fühlte sich in seiner Ahnungslosigkeit wie ein Fremder, der zufällig ein Gespräch unter Freunden mit anhört. Als der Bruder Pförtner hinzukam und sagte, dass man auf den Berghängen ringsum viele Lichter sehe, wunderte sich niemand außer Andrea.
    Sie gingen nach draußen in dieser eiskalten, klaren, mondlosen Nacht. Der Abt, Jacomo, Andrea und Tomei folgten der weißen Spur des Sträßchens, das um die Mauern herumlief. Das Licht der Sterne, das von dem hellen Kalkboden reflektiert wurde, genügte, um nicht zu stolpern. Alle Mönche waren in Alarmbereitschaft: Etwa dreißig Novizen und ältere Brüder hatten sich entlang der Straße postiert, je vierzig Schritt voneinander entfernt. Keiner sprach. Alle hielten das Kreuz in der einen Hand, in der anderen einen kräftigen Hirtenstab. In der Ferne hörte man die Stimmen der Soldaten, die die Berghänge hinaufstiegen, man sah den irrlichternden Schein von Laternenund Fackeln auftauchen und verschwinden, wenn Erhebungen und Klüfte überwunden wurden. Es war eine regelrechte Umzingelung, die jedoch nicht

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